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WSI GenderDatenPortal: Erwerbsarbeit: Befristete Beschäftigung nach Altersgruppen 1991-2020

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Daten (xlsx)

 

Frauen und Männer sind in Deutschland 2020 in ähnlichem Umfang von Befristung betroffen. 7 Prozent der abhängig beschäftigten Frauen und 6 Prozent der abhängig beschäftigten Männer zwischen 15 und 65 Jahren arbeiten befristet (Grafik 1). Insgesamt hatten im Jahr 2020 fast 2,2 Millionen abhängig Beschäftigte, die sich nicht (mehr) in Ausbildung befanden, in Deutschland einen befristeten Arbeitsvertrag. (1) Damit war die Dauer des Arbeitsverhältnisses für 7 Prozent der abhängig Beschäftigten – also etwa für jede*n fünfzehnte*n Beschäftigte*n – auf ein vorab festgelegtes Datum begrenzt.

Über den gesamten Beobachtungszeitraum von 1991 bis 2020 ist der Anteil an befristeten Beschäftigungsverhältnissen bei Frauen nicht und bei Männern nur leicht angestiegen. Es gab für beide Geschlechter in den Jahren 2004 bis 2011 zwar einen Anstieg der Befristungsquote, der allerdings nach 2011 bei Frauen wie Männern (und in fast allen Altersgruppen) wieder rückläufig war.

Der Anteil befristeter Beschäftigung unterscheidet sich nicht nur zwischen Frauen und Männern, sondern variiert vor allem mit dem Alter der Beschäftigten. Insbesondere jüngere Arbeitnehmer*innen von 15 bis unter 25 Jahren, aber auch die 25- bis unter 35-Jährigen, arbeiten überdurchschnittlich häufig befristet. Frauen weisen fast ausnahmslos in allen Altersgruppen etwas höhere Befristungsquoten auf als Männer. Nur in der jüngsten Altersgruppe (15 bis unter 25 Jahren) werden Männer etwas häufiger befristet beschäftigt als Frauen.

Die Entwicklung der befristeten Beschäftigung im Zeitverlauf fällt in Deutschland für die einzelnen Altersgruppen innerhalb des Beobachtungszeitraums sehr unterschiedlich aus:

15- bis unter 25-Jährige: Hier finden sich die höchsten Anteile an Befristung im Vergleich aller Altersgruppen. (Und dies, obwohl hier alle Personen ausgeschlossen sind, die sich in einer schulischen, beruflichen oder universitären Ausbildung befinden). Innerhalb des Beobachtungszeitraums ist die Befristungsquote insgesamt stark angestiegen. Der zu Beginn der 1990er Jahre noch deutliche Abstand zwischen Frauen und Männern ist inzwischen fast ganz verschwunden: 1991 arbeitete jede achte jüngere Frau und jeder elfte jüngere Mann in einem befristeten Beschäftigungsverhältnis – im Jahr 2020 trifft dies bereits auf jede*n fünfte jüngere*n Frau (19,0 Prozent) bzw. Mann (19,6 Prozent) zu. Besonders hohe Befristungsquoten wiesen jüngere Beschäftigte in den Jahren zwischen 2005 und 2011 auf, als fast jede*r Dritte nur einen befristeten Arbeitsvertrag hatte.

25- bis unter 35-Jährige: Zwischen 1991 und 2011 hat sich der Anteil an befristeter Beschäftigung bei Frauen und Männern zunächst fast verdoppelt: Bei Frauen von 8 Prozent auf 16 Prozent, bei Männern von 7 Prozent auf 14 Prozent. Seit 2011 ging die Befristungsquote für Frauen wie Männer dann jedoch wieder deutlich zurück und liegt 2020 jeweils bei etwas über 11 Prozent – und damit beim rund 1,5-fachen des Ausgangswertes von 1991.

35- bis unter 45-Jährige sowie 45- bis unter 55-Jährige: In beiden Altersgruppen befinden sich Frauen etwas häufiger in Befristung als Männer. Für Frauen wie Männer fällt die Befristungsquote hier insgesamt niedriger als im Gesamtdurchschnitt aus.

55- bis unter 65-Jährige: Die ältesten Beschäftigten weisen fast durchgängig eine besonders niedrige Quote an Befristungen auf. Nur jeweils 3 Prozent der Frauen wie Männer sind hier aktuell befristet beschäftigt.

Der Vergleich nach Altersgruppen belegt eindrücklich, dass Befristung in Deutschland vorwiegend ein Problem von jüngeren Beschäftigten ist: Im Jahr 2015 waren mehr als 60 Prozent der befristet Beschäftigten jünger als 35 Jahre alt. (2) Gerade für jüngere Beschäftigte birgt ein befristeter Arbeitsvertrag jedoch eine Reihe von Risiken: Befristet Beschäftigte erzielen häufiger nur geringe Nettoeinkommen und sind daher häufiger von Armut bedroht als Beschäftigte in unbefristetem Arbeitsverhältnis. (3) „Beispielsweise verdienen Personen, die ihr Erwerbsleben mit einer befristeten Beschäftigung beginnen, direkt nach dem Erwerbseintritt etwa 8% weniger als anderweitig vergleichbare Normalbeschäftigte.“ (4) Die feststellbaren Einkommensnachteile der befristet Beschäftigten wachsen mit der Dauer der Befristung sogar noch an, weil befristet Beschäftigte seltener einen Einkommenszuwachs erhalten. (5) Im Zusammenhang mit wiederholten Befristungen werden oftmals auch Risiken für die Lebensführung thematisiert, etwa solche für die Familiengründung. Dies gilt besonders für die sogenannten Kettenbefristungen, die sich über Jahre und Jahrzehnte ziehen können, und damit an die Stelle von dauerhaften Beschäftigungsverhältnissen treten. (6) So sind befristet Beschäftigte zwischen 20 und 34 Jahren seltener verheiratet und haben weniger Kinder als Gleichaltrige mit unbefristetem Arbeitsvertrag. (7)

In der Betrachtung unterschiedlicher Berufsgruppen wird deutlich, dass besonders „Kernerwerbstätige ohne Berufsausbildung“ und Personen mit einem Hochschulabschluss überproportional in befristeter Beschäftigung arbeiten. (8) Die befristete Einstellung von Akademiker*innen an Hochschulen ist weit verbreitet und „in wissenschaftlichen Einrichtungen (…) beinahe obligatorisch.“ (9)

Da eine wirtschaftliche unsichere Lage und unklare Aussichten ein wesentlicher Grund für befristete Einstellungen sind, war als Folge der Corona-Pandemie mit einem Anstieg befristeter Arbeitsverhältnisse gerechnet worden. Zu einem solchen Anstieg kam es jedoch nicht, stattdessen sank der Anteil der befristet beschäftigten Frauen und Männer (wie schon in den Jahren davor) weiterhin leicht ab. Infolge der Pandemie gab es 2020 insgesamt aber deutlich weniger Neueinstellungen – dies gilt sowohl für befristete wie unbefristete Einstellungen. (10) Mögliche Ursachen dafür dürften neben der unsicheren Lage auch erschwerte Bedingungen bei der Einarbeitung und erhöhte Infektionsrisiken am Arbeitsplatz gewesen sein. (11) Eine Auswirkung hatte die Pandemie allerdings für die Frauen und Männer, die bereits vor der Pandemie in befristeten Arbeitsverhältnissen beschäftigt waren: Von ihnen gelang 2020 einem deutlich geringeren Anteil der „Sprung“ in eine unbefristete Beschäftigung, denn der Anteil der Personalabgänge nach Befristungsende stieg gegenüber 2019 von 25 auf 32 Prozent an. (12)

 

Bearbeitung: Dietmar Hobler, Svenja Pfahl, Maike Wittmann

 

Literatur

DGB (2017): Befristete Beschäftigung – Arbeiten ohne Bestandsschutz. Fakten und Forderungen, 2. Aktualisierte Auflage, Berlin.

Hohendanner, Christian (2021): Befristungen im zweiten Jahr in Folge rückläufig, In: IAB-Forum 26. April 2021, letzter Zugriff: 24.03.2022

Keller, Berndt/ Seifert, Hartmut (2013): Atypische Beschäftigung zwischen Prekariat und Normalität. Entwicklung, Strukturen und Bestimmungsgründe im Überblick, Berlin.

RWI (2015): Risiken atypischer Beschäftigungsformen für die berufliche Entwicklung und Erwerbseinkommen im Lebensverlauf. Endbericht, Essen, letzter Zugriff: 21.03.2022.

Seils, Eric/ Emmler, Helge (2021): Befristete Einstellungen. Folgen von Corona. Policy Brief WSI Nr. 54, letzter Zugriff: 21.03.2022.

Seils, Eric/ Baumann, Helge (2019): Trends und Verbreitung atypischer Beschäftigungen. Eine Auswertung regionaler Daten. Policy Brief WSI Nr. 34, letzter Zugriff: 21.03.2022.

Seils, Eric (2016): Jugend & befristete Beschäftigung. Eine Auswertung auf der Basis aktueller Daten des Mikrozensus. Policy Brief WSI Nr. 8, letzter Zugriff: 21.03.2022.

Sperber, Carina/ Walwei, Ulrich (2017): Treiber des Erwerbsformenwandels, In: WSI Mitteilungen 70, Nr. 1, S. 16–26, letzter Zugriff: 21.03.2022.

Statistisches Bundesamt (2022): Bevölkerung und Erwerbstätigkeit. Erwerbsbeteiligung der Bevölkerung. Ergebnisse des Mikrozensus zum Arbeitsmarkt 2020 (Endgültige Ergebnisse), Fachserie 1 Reihe 4.1., letzter Zugriff:02.05.2022.

Statistisches Bundesamt (2019): Bevölkerung und Erwerbstätigkeit. Erwerbsbeteiligung der Bevölkerung. Ergebnisse des Mikrozensus zum Arbeitsmarkt 2018, Fachserie 1 Reihe 4.1, letzter Zugriff: 21.03.2022.

Statistisches Bundesamt (2016): Mikrozensus. Bevölkerung und Erwerbstätigkeit. Stand und Entwicklung der Erwerbstätigkeit in Deutschland, 2015, Fachserie 1 Reihe 4.1.1.

Statistisches Bundesamt (2012): Methodeninformation. Mikrozensus und Arbeitskräfteerhebung: Ergebnisse zur Erwerbstätigkeit ab dem Jahr 2011. letzter Zugriff: 21.03.2022

 


(1) Vgl. dazu die Datentabelle im PDF-Anhang. Zu berücksichtigen ist, dass es sich hierbei nur um zivile Beschäftigte handelt. Ausgeschlossen sind damit alle Zeit- und Berufssoldat/innen sowie alle Grundwehr- und Zivildienstleistende (vgl. Methodische Anmerkungen im PDF-Anhang).
(2) Vgl. Seils, Eric (2016): Jugend & befristete Beschäftigung. Policy Brief WSI Nr. 8, S. 2.
(3) Vgl. a.a.O., S. 3.
(4) Vgl. RWI (2015): Risiken atypischer Beschäftigungsformen für die berufliche Entwicklung und Erwerbseinkommen im Lebensverlauf, S. 2.
(5) Vgl. Keller, Berndt/ Seifert, Hartmut (2013): Atypische Beschäftigung zwischen Prekariat und Normalität.
(6) Vgl. DGB (2017): Befristete Beschäftigung – Arbeiten ohne Bestandsschutz., 2. Aktualisierte Auflage.
(7) Vgl. Seils, Eric (2016): Jugend & befristete Beschäftigung. Policy Brief WSI Nr. 8, S. 4. Der Autor betont, dass es sich
bei den Ergebnissen um deskriptive Befunde handelt, die erst noch einer multivariater Analysen bedürften, um abschließende Schlussfolgerungen zu ermöglichen.
(8) Vgl. Seils, Eric/ Baumann, Helge (2019): Trends und Verbreitung atypischer Beschäftigungen.. Policy Brief WSI Nr. 34, S. 5.
(9) Vgl. Sperber, Carina/ Walwei, Ulrich (2017): Treiber des Erwerbsformenwandels, S. 23.
(10) Vgl. Hohendanner, Christian (2021): Befristungen im zweiten Jahr in Folge rückläufig. IAB-Forum, S. 4f.
(11) Vgl. Seils, Eric/ Emmler, Helge (2021): Befristete Einstellungen. Die Folgen von Corona. Policy Brief WSI Nr. 52, S. 5.(12) Vgl. Hohendanner, Christian (2021): Befristungen im zweiten Jahr in Folge rückläufig. IAB-Forum, S. 2f.

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