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WSI GenderDatenPortal: Erwerbsarbeit: Befristete Beschäftigung nach Altersgruppen 1991-2022

Grafiken, Analysen, Tabellen (pdf)

Daten (xlsx)

 

Frauen und Männer sind in Deutschland im Jahr 2022 in vergleichbarem Umfang von Befristung betroffen. 7 Prozent der abhängig beschäftigten Frauen und Männer zwischen 15 und 65 Jahren arbeiten befristet (vgl. Grafik 1). Insgesamt haben 2,4 Millionen abhängig Beschäftigte in Deutschland, die sich nicht (mehr) in Ausbildung befinden, einen befristeten Arbeitsvertrag (ohne Abb.). (1)

Über den gesamten Beobachtungszeitraum von 1991 bis 2022 ist der Anteil an befristeten Beschäftigungsverhältnissen bei Frauen kaum und bei Männern auch nur leicht angestiegen. Es gab für beide Geschlechter in den Jahren 2004 bis 2011 zwar einen Anstieg der Befristungsquote, dieser war allerdings nach 2011 bei Frauen wie Männern (und in fast allen Altersgruppen) wieder rückläufig.

Der Anteil befristeter Beschäftigung variiert stark mit dem Alter der Beschäftigten. Insbesondere jüngere Arbeitnehmer*innen von 15 bis unter 25 Jahren, aber auch die 25- bis unter 35-Jährigen, arbeiten überdurchschnittlich häufig befristet. Frauen weisen dabei fast ausnahmslos in allen Altersgruppen etwas höhere Befristungsquoten auf als Männer. Nur in der jüngsten Altersgruppe (15 bis unter 25 Jahren) werden Männer geringfügig häufiger befristet beschäftigt als Frauen.

Die Entwicklung innerhalb des Beobachtungszeitraums fällt für die einzelnen Altersgruppen sehr unterschiedlich aus:

15- bis unter 25-Jährige: Hier finden sich die höchsten Anteile an Befristungen aller Altersgruppen. (Und dies, obwohl alle Personen von der Betrachtung ausgeschlossen bleiben, die sich aktuell in einer schulischen, beruflichen oder universitären Ausbildung befinden). Zwischen 1991 und 2022 ist die Befristungsquote der jüngsten Beschäftigtengruppe stark angestiegen. Zugleich ist der in den 1990er Jahren noch deutliche Abstand zwischen Frauen und Männern inzwischen fast ganz verschwunden: 1991 arbeitete jede achte jüngere Frau (13 Prozent) und jeder elfte jüngere Mann (9 Prozent) in einem befristeten Beschäftigungsverhältnis – im Jahr 2022 trifft dies bereits auf rund jede fünfte jüngere Frau (20 Prozent) und jeden fünften jüngeren Mann (21 Prozent) zu.

25- bis unter 35-Jährige: Zwischen 1991 und 2011 hat sich der Anteil an befristeter Beschäftigung bei den Frauen und Männern im jüngeren Erwachsenenalter zunächst fast verdoppelt: Bei Frauen von 8 Prozent auf 16 Prozent, bei Männern von 7 Prozent auf 14 Prozent. Seit 2011 ging die Befristungsquote für Frauen wie Männer dann jedoch wieder deutlich zurück und liegt 2022 jeweils bei knapp 12 Prozent – und damit beim rund 1,5-fachen des Ausgangswertes von 1991.

35- bis unter 45-Jährige sowie 45- bis unter 55-Jährige: In beiden Altersgruppen befinden sich Frauen etwas häufiger in befristeter Beschäftigung als Männer, wobei die Männer über den Beobachtungszeitraum hinweg leicht aufgeholt haben. Für Frauen wie Männer fällt die Befristungsquote hier insgesamt niedriger aus als im Gesamtdurchschnitt.

55- bis unter 65-Jährige: Die ältesten Beschäftigten weisen fast durchgängig eine besonders niedrige Quote an Befristungen auf. Nur jeweils rund 3 Prozent der Frauen und Männer sind 2022 befristet beschäftigt. Über den Beobachtungszeitraum hinweg hat der Anteil Befristeter vor allem bei den Frauen (aber auch den Männern) sogar noch leicht abgenommen.

Damit erweist sich Befristung in Deutschland vorwiegend als ein Problem von jüngeren Beschäftigten: Im Jahr 2022 ist die Hälfte aller befristet Beschäftigten jünger als 35 Jahre alt (50 Prozent, ohne Abb.).  Gerade für jüngere Beschäftigte birgt ein befristeter Arbeitsvertrag jedoch eine Reihe von Risiken: Sie erzielen häufiger nur geringe Nettoeinkommen und sind daher häufiger von Armut bedroht als Beschäftigte in unbefristeten Arbeitsverhältnissen. (2) „Beispielsweise verdienen Personen, die ihr Erwerbsleben mit einer befristeten Beschäftigung beginnen, direkt nach dem Erwerbseintritt etwa 8% weniger als anderweitig vergleichbare Normalbeschäftigte.“ (3) Diese Einkommensnachteile wachsen mit der Dauer der Befristung sogar weiter an, weil befristet Beschäftigte weniger gut als andere Einkommenszuwächse für sich realisieren können. (4) Im Zusammenhang mit wiederholten Befristungen werden daher verstärkt Risiken für die Lebensführung diskutiert, etwa solche für die Familiengründung. Dies gilt besonders für Beschäftigte mit sog. Kettenbefristungen, die sich über Jahre oder Jahrzehnte ziehen können. (5) So sind befristet Beschäftigte zwischen 20 und 34 Jahren seltener verheiratet und haben weniger Kinder als Gleichaltrige mit unbefristetem Arbeitsvertrag. (6) In einer Längsschnittuntersuchung konnte gezeigt werden, dass sich gerade befristet beschäftigte Frauen häufiger Sorgen um ihren Arbeitsplatz machen als befristet beschäftigte Männer (auch unter Berücksichtigung unterschiedlicher beruflicher Positionen). Da sie sich ohnehin schon häufiger als Männer mit Unterbrechungen im Erwerbsverlauf auseinandersetzen müssen, wird angenommen, dass eine Befristung des Arbeitsvertrages für Frauen eine besondere, zusätzliche Belastung darstellt. (7) Problematisch ist in diesem Zusammenhang, dass sich sachgrundlose Befristungen zwischen 2001 und 2018 in Deutschland mehr als verdreifacht haben (von 0,55 auf 1,8 Millionen) und in Großbetrieben inzwischen bereits häufig als „verlängerte Probezeit“ eingesetzt werden. (8) Im Jahr 2022 fällt die Zahl der sachgrundlos befristeten Beschäftigungsverhältnisse in Deutschland mit 1,48 Millionen Beschäftigungsverhältnissen zwar wieder etwas geringer aus, ihr Anteil an allen befristeten Beschäftigungsverhältnissen beträgt jedoch noch immer 58 Prozent. (9)

Im Vergleich unterschiedlicher Berufsgruppen wird deutlich, dass besonders Beschäftigte ohne Berufsausbildung und solche mit einem Hochschulabschluss überproportional häufig befristet tätig sind. (10) Die befristete Einstellung von Akademiker*innen an Hochschulen ist in Deutschland weit verbreitet und „in wissenschaftlichen Einrichtungen (…) beinahe obligatorisch.“ (11)

Für die Jahre der Corona-Pandemie war eigentlich mit einem Anstieg befristeter Arbeitsverhältnisse gerechnet worden. Zu einem solchen Anstieg kam es jedoch nicht, stattdessen sank der Anteil der befristet beschäftigten Frauen und Männer (wie schon in den Jahren davor) weiterhin leicht ab (vgl. Tab. 1). Infolge der Pandemie gab es 2020 zwar insgesamt deutlich weniger Neueinstellungen – dies galt jedoch sowohl für befristete wie unbefristete Einstellungen. (12) Mögliche Ursachen hierfür waren neben der unsicheren Lage auch erschwerte Bedingungen bei der Einarbeitung und erhöhte Infektionsrisiken am Arbeitsplatz. (13) Eine Auswirkung hatte die Pandemie allerdings für diejenigen Frauen und Männer, die schon vor der Corona-Pandemie in befristeten Arbeitsverhältnissen beschäftigt waren: Von ihnen gelang 2020 einem deutlich geringeren Anteil der „Sprung“ in eine unbefristete Beschäftigung als noch 2019. (14)

Weitere Informationen (Definitionen wichtiger Begriffe und methodische Anmerkungen zur Datengrundlage) sind in den PDF-Dateien enthalten, die zum Download bereitstehen.

 

Bearbeitung: Svenja Pfahl, Eugen Unrau

 

Literatur

Deutscher Bundestag (2023): Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE. Drucksache 20/8225, letzter Zugriff: 30.04.2024.

DGB (2017): Befristete Beschäftigung – Arbeiten ohne Bestandsschutz. Fakten und Forderungen, 2. Aktualisierte Auflage, Berlin, letzter Zugriff: 30.04.2024.

Hohendanner, Christian (2021): Befristungen im zweiten Jahr in Folge rückläufig, In: IAB-Forum 26. April 2021, letzter Zugriff: 30.04.2024.

Keller, Berndt/Seifert, Hartmut (2013): Atypische Beschäftigung zwischen Prekariat und Normalität. Entwicklung, Strukturen und Bestimmungsgründe im Überblick, Berlin.

RWI (2015): Risiken atypischer Beschäftigungsformen für die berufliche Entwicklung und Erwerbseinkommen im Lebensverlauf. Endbericht, Essen., letzter Zugriff: 30.04.2024.

Seils, Eric/Emmler, Helge (2021): Befristete Einstellungen. Folgen von Corona. Policy Brief WSI NR. 54, letzter Zugriff: 30.04.2024.

Seils, Eric/Emmler, Helge/Rogall, Marius (2020): Befristete Beschäftigung. Eine Auswertung regionaler Daten für 2018, WSI Policy Brief Nr. 36, März 2020, letzter Zugriff: 30.04.2024.

Seils, Eric/Baumann, Helge (2019): Trends und Verbreitung atypischer Beschäftigungen. Eine Auswertung regionaler Daten. Policy Brief WSI Nr. 34, letzter Zugriff: 30.04.2024.

Seils, Eric (2016): Jugend & befristete Beschäftigung. Eine Auswertung auf der Basis aktueller Daten des Mikrozensus. Policy Brief WSI Nr. 8, letzter Zugriff: 30.04.2024.

Sperber, Carina/Walwei, Ulrich (2017): Treiber des Erwerbsformenwandels, In: WSI Mitteilungen 70, Nr. 1, S. 16–26, letzter Zugriff: 30.04.2024.

Statistisches Bundesamt (2023): Mikrozensus 2022. Qualitätsbericht, letzter Zugriff: 30.04.2024.

Statistisches Bundesamt (2022): Bevölkerung und Erwerbstätigkeit. Erwerbsbeteiligung der Bevölkerung. Ergebnisse des Mikrozensus zum Arbeitsmarkt 2020 (Endgültige Ergebnisse), Fachserie 1, Reihe 4.1, letzter Zugriff: 30.04.2024.

Statistisches Bundesamt (2020): Bevölkerung und Erwerbstätigkeit. Erwerbsbeteiligung der Bevölkerung, Ergebnisse des Mikrozensus zum Arbeitsmarkt 2019, Fachserie 1 Reihe 4.1, letzter Zugriff: 30.04.2024.

Statistisches Bundesamt (2019): Bevölkerung und Erwerbstätigkeit. Erwerbsbeteiligung der Bevölkerung. Ergebnisse des Mikrozensus zum Arbeitsmarkt 2018, Fachserie 1 Reihe 4.1, letzter Zugriff: 30.04.2024.

Teichler, Nils/Scheels, Brigitte (2023): Jobunsicherheit: Frauen fühlen sich durch Befristungen deutlich stärker belastet als Männer. In: IAB-Forum 25. September 2023, letzter Zugriff: 30.04.2024.

 


(1) Auch Grundwehr- und Zivildienstleistende sowie Freiwilligendienstleistende werden nicht berücksichtigt (vgl. Methodische Anmerkungen).
(2) Seils, Eric (2016): Jugend & befristete Beschäftigung, S. 3.
(3) Vgl. RWI (2015): Risiken atypischer Beschäftigungsformen für die berufliche Entwicklung und Erwerbseinkommen im Lebensverlauf, S. 2.
(4) Vgl. Keller, Berndt/Seifert, Hartmut (2013): Atypische Beschäftigung zwischen Prekariat und Normalität, S. 56, zitiert nach Seils, Eric (2016): Jugend & befristete Beschäftigung, S. 4.
(5) Vgl. DGB (2017): Befristete Beschäftigung – Arbeiten ohne Bestandsschutz, 2. Aktualisierte Auflage.
(6) Vgl. Seils, Eric (2016): Jugend & befristete Beschäftigung. Policy Brief WSI Nr. 8, S. 4.
(7) Teichler, Nils/Scheels, Brigitte (2023): Jobunsicherheit: Frauen fühlen sich durch Befristungen deutlich stärker belastet als Männer.
(8) Seils, Eric/Emmler, Helge/Rogall, Marius (2020): Befristete Beschäftigung. Eine Auswertung regionaler Daten für 2018, S. 3. Die Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD wurden noch nicht hinreichend umgesetzt und zeigten 2018 (noch) keine Wirkung. Im ersten Jahr der Legislaturperiode ist die Zahl der sachgrundlosen Befristungen sogar noch angestiegen, vgl. a.a.O, S. 4.
(9) Vgl. Deutscher Bundestag (2023): Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE. Drucksache 20/8225, S. 3.
(10) Die Autoren beziehen diese Aussage auf die „Kernerwerbstätigen“. Darunter werden alle Erwerbstätigen im Alter von 15 bis unter 65 Jahren verstanden, die sich nicht in Bildung, Ausbildung oder im Ruhestand befinden und deren Lebensphase somit ganz zentral von Erwerbsarbeit geprägt ist. Dies entspricht der hier untersuchten Beschäftigtengruppe. Vgl. Seils, Eric/ Baumann, Helge (2019): Trends und Verbreitung atypischer Beschäftigungen. Policy Brief WSI Nr. 34, S. 5.
(11) Vgl. Sperber, Carina/ Walwei, Ulrich (2017): Treiber des Erwerbsformenwandels, S. 23.
(12) Vgl. Hohendanner, Christian (2021): Befristungen im zweiten Jahr in Folge rückläufig. IAB-Forum, S. 4f.
(13) Vgl. Seils, Eric/ Emmler, Helge (2021): Befristete Einstellungen. Die Folgen von Corona. Policy Brief WSI Nr. 52, S. 5.
(14) Vgl. Hohendanner, Christian (2021): Befristungen im zweiten Jahr in Folge rückläufig. IAB-Forum, S. 2f.

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