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Tarifarchiv - Analysen Tarifarchiv

Tarifrunde 2013: Öffentlicher Dienst

Im Kernbereich des öffentlichen Dienstes besteht seit 2005 eine Spaltung in zwei Tarifbereiche: Bund und Gemeinden auf der einen Seite und die Länder auf der anderen Seite. Die Tarifverträge laufen zeitlich seitdem nicht mehr parallel. In diesem Jahr stand der Tarifbereich der Länder auf dem tarifpolitischen Kalender, die Verträge waren Ende 2012 ausgelaufen, während die Verträge für Bund und Gemeinden noch bis Ende 2013 laufen.

Der letzte Tarifabschluss für die Länder aus dem Jahr 2011 hatte neben einer Pauschalzahlung von 360 € für die ersten drei Monate eine zweistufige Entgelterhöhung von 1,5 % ab April 2011 und weiteren 1,9 % zuzüglich eines Sockelbetrages von 17 € ab Januar 2012 vorgesehen. Für Bund und Gemeinden gab es 2012 einen dreigliedrigen Abschluss mit Anhebungen von 3,5 % ab März 2012 sowie zweimal je 1,4 % ab Januar und August 2013. Damit waren zugleich auch Orientierungsmarken für die diesjährige Tarifrunde bei den Ländern gesetzt. (1)

Am 11.12.2012 beschloss die ver.di-Tarifkommission ihre Forderungen:

  • Entgelterhöhung um 6,5 % mit sozialer Komponente und 100 € mehr für Auszubildende bei einer Laufzeit von 12 Monaten
  • Erhöhung der Feuerwehrzulage um 25 € und deren Dynamisierung
  • Verhandlungen über Einschränkungen befristeter Arbeitsverhältnisse
  • verbindliche Übernahme der Ausgebildeten

Ver.di stellte in den Mittelpunkt der Argumentation, dass die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes Anschluss an die allgemeine Einkommensentwicklung halten müssten. Die Einkommensentwicklung im öffentlichen Dienst der Länder sei in den letzten Jahren deutlich hinter der privaten Wirtschaft zurückgeblieben. Auch gegenüber den Einkommen bei Bund und Kommunen bestehe ein Nachholbedarf. Nach den Berechnungen von ver.di macht er ab Januar 2013 etwa 2,25 % und ab August 2013 3,6 % aus. Zur Finanzierung der Forderungen verwies die Gewerkschaft vor allem auf die steigenden Steuereinnahmen und die optimistischen Prognosen des Arbeitskreises Steuerschätzung.

Außerdem wurde mit der Tarifierung der Eingruppierung der Lehrkräfte zum wiederholten Mal ein Thema aufgegriffen, das die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) bereits seit Jahren verfolgt. Zwar gibt es seit Anfang 2012 eine neue Entgeltordnung für den TV-L, sie bezieht jedoch die Lehrkräfte nicht mit ein. Die Forderung nach einer Lehrkräfte-Entgeltordnung (L-ego) zielt darauf ab, die Eingruppierung auf Basis von Arbeitgeber-Richtlinien, wie sie seit 1961 geltende Praxis ist, durch eine tarifliche Entgeltordnung abzulösen. Mit diesem Versuch sind die ÖD-Gewerkschaften bereits mehrfach gescheitert.

Ein weiteres Thema der Tarifrunde waren die tariflichen Urlaubsregelungen. Die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) hatte aufgrund einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zur Unwirksamkeit der Altersstaffelung des Urlaubs bei Bund und Gemeinden die Regelungen zum Urlaub für die Länder-Beschäftigten gekündigt. Laut ver.di wollte die TdL zum Teil bei Neueinstellungen ab 2013 und einigen ArbeitnehmerInnen mit arbeitsvertraglichen Änderungen nur noch einen Urlaubsanspruch von 26 Arbeitstagen statt der bislang geltenden 26-30 gewähren. Diese Verschlechterung lehnte ver.di ab.

Verhandlungen und Ergebnis
Die Verhandlungen begannen am 31.1.2013 mit der detaillierten Vorstellung und Begründung seitens der Gewerkschaften. Die Arbeitgeber, die erstmals mit dem Finanzminister Sachsen-Anhalts, Jens Bullerjahn (SPD), als Verhandlungsführer antraten, verwiesen vor allem auf die verfassungsrechtliche Schuldenbremse, die die Länder verpflichte, bis 2020 ausgeglichene Haushalte vorzulegen. Die Länder seien durch Personalausgaben stärker belastet als Bund oder Kommunen. Je höher der Abschluss ausfalle, umso weniger könne auf die Beamten/innen übertragen werden. Ein Angebot legten sie in der ersten Runde nicht vor.

Die Tarifgespräche wurden am 14.2. in Potsdam fortgesetzt. Die detaillierte Diskussion des gesamten Forderungspakets führte in keinem Punkt zu einer Einigung oder auch nur einer Teileinigung. Zur Frage der Lehrkräfteeingruppierung wurde eine Arbeitsgruppe eingerichtet. Ein Angebot wurde seitens der TdL wiederum nicht vorgelegt, so dass ver.di und die anderen ÖD-Gewerkschaften zu Warnstreiks in zwei Wellen vor der 3. Tarifrunde aufriefen. Daran beteiligten sich rund 150.000 Beschäftigte. Nach Gewerkschaftsangaben lag die Zahl höher als in den Tarifbewegungen 2009 und 2011. In der 3. Verhandlungsrunde, die am 7.3. begann, konnte dann nach dreitägigen Verhandlungen am 9.3. eine Einigung mit folgenden Elementen erzielt werden.

  • Erhöhung des Tarifentgelts um 2,65 % ab 1.1.2013 sowie eine Stufenerhöhung von 2,95 % ab 1.1.2014
  • Erhöhung der Ausbildungsvergütungen zum gleichen Zeitpunkt um
    50 €/2,95 %
  • Laufzeit von 24 Monaten bis 31.12.2014
  • Urlaub: von 26 bis 30 Arbeitstagen, gestaffelt nach Lebensjahren, auf 30 Tage für alle Beschäftigten ab 2013 (für Auszubildende 27 Tage); 1 Tag Zusatzurlaub für Beschäftigte in Zentren für Psychiatrien in Baden-Württemberg
  • befristete Übernahme von Ausgebildeten für 12 Monate bei dienstlichem/betrieblichem Bedarf, bei entsprechender Bewährung Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis
  • unverzügliche Verhandlungsaufnahme nach dem 30.4.2013 über den Geltungsbereich des TV-L für die Beschäftigten an Theatern und Bühnen mit künstlerischen Tätigkeiten
  • Maßregelungsklausel

Zu tariflichen Regelungen bei befristeter Beschäftigung waren die Arbeitgeber nicht bereit. Auch zur Tarifierung der Eingruppierung für Lehrkräfte konnte keine Einigung erreicht werden. Die GEW erklärte, dass die TdL ein Angebot vorgelegt hätte, das fast inhaltsgleich mit dem Angebot aus der Tarifrunde 2011 war und schon damals als nicht verhandelbar zurückgewiesen wurde.

Verhandlungskommission und Bundestarifkommission von ver.di bewerteten das materielle Ergebnis positiv, wenn auch das Fehlen einer sozialen Komponente bedauert wurde. „Damit halten die Länderbeschäftigten Anschluss an die Gehaltsentwicklung der übrigen Bereiche im öffentlichen Dienst und in der Gesamtwirtschaft“, so bewertete der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske den Abschluss. Es sei ein echter Erfolg, dass für alle Länderbeschäftigten einheitlich 30 Tage Urlaub vereinbart werden konnten. In der anschließenden Mitgliederbefragung, die bis zum 9.4. durchgeführt wurde, sprachen sich bei ver.di gut 90 % der betroffenen Mitglieder für die Annahme der Tarifeinigung aus.

Bei der GEW fiel die Zustimmung deutlich geringer aus, sie betrug im bundesweiten Schnitt rund 78 %. Nach dem Misserfolg in Sachen L-ego beriet die GEW auf einer tarifpolitischen Strategiekonferenz vom 8.-10.4. in Merseburg über das weitere Vorgehen. Im Ergebnis entschied sich die Gewerkschaft dafür, in Zukunft die Frage der Entgeltordnung nicht mehr mit der TdL, sondern mit den einzelnen Bundesländern zu verhandeln. Dabei soll die L-ego-Thematik dann auch mit anderen Tariffragen gemeinsam behandelt werden.

Für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst des Landes Hessen erzielte ver.di am 15./16.4. ein Tarifergebnis, das mit einer zweistufigen Entgelterhöhung von je
2,8 % (ab 1.7.2013 und 1.1.2014) das Volumen des bundesweiten Abschlusses erreichte. Außerdem erhalten die Beschäftigten zwei Einmalzahlungen von 450 € für Januar bis Juni 2013 und 225 € für Januar bis März 2014. Die Urlaubsregelungen entsprechen ebenfalls dem Bundesergebnis. Die Zustimmung der Mitglieder lag bei über 93 %.

Quelle: WSI-Tarifpolitischer Halbjahresbericht 2013 - Stand Juli 2013


(1) Die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) verhandelte für alle Bundesländer außer Berlin und Hessen, die 2003 bzw. 2004 aus der TdL ausgeschieden waren. Seit Januar 2013 ist Berlin zwar wieder Mitglied, führt aber gemäß eines Vertrages aus dem Jahr 2010 seine Entgelte erst bis zum Jahr 2017 an das TdL-Niveau heran.

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