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Tarifarchiv - Analysen Tarifarchiv

Tarifrunde 2016: Deutsche Bahn AG

Nachdem erst Mitte 2015 der ein Jahr anhaltende Tarifkonflikt der Deutschen Bahn AG durch (getrennte) Tarifabschlüsse mit der EVG und der GDL beendet werden konnte (vgl. ausführlich WSI-Tarifbericht 2015), stand im Herbst 2016 bereits die nächste Tarifrunde ins Haus. Ende September liefen die Entgelttarifverträge aus und beide Gewerkschaften hatten weitere Themen auf ihrer Tarifagenda.

Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG)

Die EVG hatte im Sommer eine breit angelegte Mitgliederbefragung zu möglichen Zielen der Tarifrunde durchgeführt, an der sich über 15.000 Mitglieder beteiligten. Dabei kristallisierte sich heraus, dass die Mehrheit der Befragten sich für Lohnerhöhungen und für mehr freie Zeit aussprach. Eine klare Priorität für eine bestimmte Variante der Arbeitszeitverkürzung gab es nicht: 40 % votierten für mehr Urlaub, 36 % für eine kürzere Arbeitszeit und 24 % wollten von beidem etwas. Hohe Zustimmung fanden auch die betriebliche Altersversorgung und die Qualifizierung/Weiterbildung als Themen der Tarifrunde.

Daraufhin beschloss die EVG-Tarifkommission am 28.09. Forderungen im Gesamtvolumen von 7,0 % für den zum 30.09. ausgelaufenen Entgelttarifvertrag. Davon sollten 4,5 % als Entgelterhöhung umgesetzt werden und weitere 2,5 % zur individuellen Disposition der EVG-Mitglieder zur Verfügung stehen (alternativ: 6 zusätzliche Urlaubstage, eine Stunde Verkürzung der Wochenarbeitszeit oder eine weitere Entgelterhöhung). Weitere Forderungen bezogen sich auf den 2015 abgeschlossenen Tarifvertrag „Arbeit 4.0“: die Gestaltung mobiler Arbeit sowie die Veränderung der Berufsbilder durch zunehmende Digitalisierung. Und schließlich ging es auch um die Weiterentwicklung des Demografie-Tarifvertrages von 2012.

In der Auftaktverhandlung am 17.10. legten beide Seiten ihre Positionen dar. In der 2. Verhandlungsrunde am 09.11. legte die DB AG Angebote zu einzelnen qualitativen Themen vor, u. a. zur Arbeitszeitgestaltung und zum Thema Arbeit 4.0, aber noch nicht zu den Lohnforderungen. In der 3. Verhandlungsrunde am 23.11. gab es verhandlungsfähige Angebote der DB AG zu allen Forderungen in einem Volumen von 4,2 %. Sie umfassten:

  • Einmalzahlung von 375 € für Oktober 2016 - April 2017
  • Lohnerhöhung von 1,5 % ab Mai 2017
  • Gesamtlaufzeit von 27 Monaten bis Ende 2018
  • mehr Zusatzurlaub für Nachtarbeiter (0,2 %)
  • individuelles Wahlmodell zur Arbeitszeit im Volumen von 2,5 %
  • Förderung von Langzeitkonten
  • Arbeit 4.0: Anspruch auf Qualifizierung bei Digitalisierung von Berufsbildern und Tätigkeiten.

Damit war man laut EVG der geforderten Wahlmöglichkeit für EVG-Mitglieder zwischen mehr Urlaub, einer Verringerung der Arbeitszeit oder mehr Geld deutlich näher gekommen. Eine Entgelterhöhung im Volumen von 1,5 % bei einer Laufzeit von 27 Monaten wies die EVG jedoch zurück. Auch seien statt der geforderten 6 Tage zusätzlichen Urlaub lediglich arbeitsfreie Tage angeboten worden. Weiterhin sei eine von Arbeitgeberseite geforderte Einschränkung im Geltungsbereich und der damit verbundenen Ungleichbehandlung der ArbeitnehmerInnen völlig inakzeptabel. Zu Beginn der Verhandlungsrunde hatte es erste Protestaktionen von EVG-Mitgliedern gegen eine Spaltung der Beschäftigten gegeben.

Auch die 4. Verhandlungsrunde wurde von Protesten mehrerer hundert Eisenbahner-Innen für die Forderung nach einem einheitlichen Tarifabschluss begleitet. Nach langwierigen Verhandlungen am 08., 11. und 12.12. konnte die EVG ein Ergebnis im Volumen von 5,1 % erzielen:

  • 550 € Pauschale für die Monate Oktober 2016 bis März 2017
  • 2,5 % ab April 2017
  • 2,62 % Stufenerhöhung als Wahlmodell: - Entgelterhöhung oder
  • - 6 zusätzliche Urlaubstage oder
  • - Verkürzung der Wochenarbeitszeit um 1 Stunde
  •  Laufzeit bis 30.09.2018
  • Zusatzurlaub bzw. Zeitzuschlag für Nachtarbeit steigt
    im Volumen von 0,35 %.

Weiterhin konnte der Tarifvertrag "Arbeit 4.0" weiterentwickelt und als Tarifvertrag "Arbeit 4.0 EVG 2016" mit Grundsätzen zur mobilen Arbeit - u. a. Regelungen zu Beschäftigungssicherung, Beschäftigungsfähigkeit (Bildungsbudget, Angebote zur Gesundheitsförderung), Bewertungsverfahren - neu abgeschlossen werden. Darüber hinaus wurde der Demografie-Tarifvertrag weiterentwickelt (u. a. ein weiterer Tag Urlaub für die Teilnahme an einer „Gesundheitswoche“) sowie der Nachwuchskräfte-Tarifvertrag verbessert. Es wurde eine Anpassung des Langzeitkonten-Tarifvertrages sowie eine Verhandlungsverpflichtung für eine neue Arbeitszeitkontensystematik vereinbart.

Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL)

Im Juni 2016 formulierte die GDL zunächst folgende Kernforderungen für den Bundesrahmentarifvertrag für das Zugpersonal (BuRa-ZugTV): Entgelterhöhung von 4,0 % bei einer Laufzeit von 12 Monaten, Verbesserungen der Entgeltstruktur für Lokomotivführer und Zugbegleiter, Vereinheitlichung und Erhöhung der Nacht-, Sonn- und Feiertagszulagen für das gesamte Zugpersonal, generelle Neugestaltung des Arbeitszeitsystems, Abschluss von Tarifverträgen für Nachwuchskräfte und zur Leistungssicherung. Das Forderungspaket wurde nach und nach detailliert und umfasste nach Angaben der Deutschen Bahn am Ende insgesamt 66 Forderungen. Allein die Entgeltforderungen bezifferte die DB AG auf mehr als 6 %, die GDL-Forderungen insgesamt führten zu einem Gesamtvolumen von über 26 % (DB AG-Pressemeldung vom 25.10.2016). In sechs Verhandlungsrunden, in deren Verlauf die DB AG mehrere Angebote vorlegte, konnte bis Mitte Dezember keine Einigung erzielt werden. Kern des Konflikts bildete die GDL-Forderung nach einer echten Fünf-Tage-Woche mit anschließenden zwei Tagen Freizeit. Die DB AG sah darin das Risiko, dass die GDL-Forderungen zu einer Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich führen würden, und schlug die vertraglich verbindliche Prüfung verschiedener Arbeitszeit-Vorschläge im Arbeitsalltag vor. Die GDL kritisierte die „dauerhafte Verweigerungshaltung“ der Deutschen Bahn, erklärte am 23.12.2016 die Verhandlungen für gescheitert und rief die Schlichtung an.[1] Sie benannte, wie bereits im Tarifkonflikt 2015, Bodo Ramelow, Ministerpräsident von Thüringen, als Schlichter. Die Deutsche Bahn AG benannte ihrerseits den früheren brandenburgischen Ministerpräsidenten Matthias Platzeck als Schlichter.

Quelle: Tarifpolitischer Jahresbericht 2016 (pdf)

 


[1] Im Tarifabschluss 2015 hatte die GDL ein Abkommen akzeptiert, wonach die Schlichtung nicht nur einvernehmlich von beiden Seiten, sondern auch von nur einer Seite angerufen werden kann, wenn die Verhandlungen für gescheitert erklärt oder Streiks angekündigt werden.

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