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Tarifarchiv

Tarifrunde 2014: Druckindustrie und Tageszeitungsredakteur/innen

In diesem Jahr fanden teilweise zeitlich parallel die Tarifrunden in der Druckindustrie und für die Redakteur/innen an Tagezeitungen statt. In der Druckindustrie ging es um eine normale Lohn- und Gehaltsrunde zur Neuverhandlung der Ende 2013 auslaufenden Tarifverträge. Hier erreichten die Tarifparteien in vier Monaten und fünf Verhandlungsrunden einen Abschluss. Bei den Tageszeitungen wurde dagegen bereits seit Mitte 2013 ein Tarifkonflikt um einen neuen Gehaltstarifvertrag ausgetragen, der sich durch die Kündigung des Manteltarifvertrages durch die Verleger noch verschärfte. Erst nach mehr als neun Monaten und 11 Verhandlungsrunden gelang eine Einigung. Über Wochen hinweg gab es teilweise gemeinsame Streikaktionen der Beschäftigten beider Branchen.

Druckindustrie

Die Druckindustrie befindet sich seit Mitte der 2000er Jahre in einem wirtschaftlichen Schrumpfungs- und Anpassungsprozess (MMB-Institut 2013). Die Zahl der Betriebe ist rückläufig, die Umsätze sind real bis Ende 2013 ebenfalls zurückgegangen und dementsprechend hat sich auch das Beschäftigungsvolumen deutlich verringert. Die Zahl der Beschäftigten ist von 2005 bis 2012 von knapp 180.000 auf 151.000 zurückgegangen. Hintergrund ist neben konjunkturellen Ursachen auch ein Strukturwandel der Branche, der mit der stark wachsenden Internetnutzung, dem veränderten Mediennutzungsverhalten und der Digitalisierung der Produktionstechniken zusammenhängt. Organisationspolitisch ist die Druckindustrie ein schwieriges Terrain, weil 70 % der Betriebe weniger als 10 Beschäftigte und 90 % weniger als 50 Beschäftigte haben. Stark verankert ist ver.di nach wie vor in den mittleren und wenigen großen Betrieben. Die Tarifbindung in der Druckindustrie ist mit rund 26 % der Beschäftigten deutlich geringer als im verarbeitenden Gewerbe mit insgesamt gut 50 % (Amlinger/Bispinck 2013).

Angesichts dieser Rahmenbedingungen befindet sich ver.di in der Druckindustrie bereits seit geraumer Zeit tarifpolitisch in der Defensive. Die Lohn- und Gehaltsabschlüsse sind in den vergangenen fünf Jahren eher mager ausgefallen, des Öfteren gab es Pauschalzahlungen statt tabellenwirksamer Erhöhungen. Der letzte Abschluss vom Juni 2011 hatte eine extrem lange Laufzeit von 33 Monaten und sah für die ersten 16 Monate eine Pauschalzahlung von 280 € und anschließend eine Tarifanhebung von 2,0 % vor, ergänzt um eine zusätzliche Einmalzahlung von 150 €.

Tabelle 3: Tarifsteigerungen in der Druckindustrie seit 2008

Jahr

Tarifanhebung

Laufzeit in Mon.

2008

2,1 %

9

2009

280 € Pauschale

12

2010

2,0 %

12

2011

280 € Pauschale

16

2012

2,0 %, zus. Einmalzahlung 150 € (2013)

17

Quelle: WSI-Tarifarchiv

In der Vorbereitung der diesjährigen Tarifrunde wurde die Lohnentwicklung in der Druckindustrie, die im Vergleich zu anderen Branchen deutlich zurück geblieben ist, dann auch kritisch diskutiert. Die Lohn- und Gehaltstarifverträge liefen Ende Dezember 2013 aus. Im November 2013 hatte die Tarifkommission eine Tarifforderung von 5,5 % für 12 Monate beschlossen und orientierte sich damit an den Forderungen in anderen Industriezweigen. Gleichwohl bezeichnet der Bundesverband Druck und Medien die Forderung als vollkommen überzogen. Die Druckindustrie befinde sich seit einigen Jahren in einem starken Wandel. In diesem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld würde eine Umsetzung der Forderung der Gewerkschaft die Betriebe der Branche im Übermaß belasten.

Die Verhandlungen starteten am 16.1.2014. Ver.di verwies zur Begründung der Tarifforderung auf den Reallohnverlust der Beschäftigten seit dem letzten Tarifabschluss im Jahr 2011 mit einem Minus von 3,6 Prozent. Seit 2005 verzeichne die Druckindustrie insgesamt die schlechteste Lohnentwicklung aller Tarifbereiche. Für die Tarifpartner ver.di und den Bundesverband Druck und Medien (bvdm) müsse es deshalb nun gelten, mit einer angemessenen Lohnerhöhung im Rahmen der allgemeinen Entwicklung in Deutschland dazu beizutragen, dass die Branche "endlich ihr Verlierer- und Lohndrückerimage los wird". In der 2. Verhandlungsrunde am 11. Februar legten die Arbeitgeber ein erstes Angebot vor, das bei einer zweijährigen Laufzeit für 2014 eine Einmalzahlung von 400 € und eine tabellenwirksame Erhöhung von 1,8 % ab Januar 2015 vorsah. Sie forderten zudem Verhandlungen über den Manteltarifvertrag. Ver.di wies das Angebot, insbesondere die Einmalzahlung für 2014, zurück. Nach dem Ende der Friedenspflicht Ende Januar begann ver.di mit Warnstreiks. In der 3. Verhandlungsrunde am 12. März bot ver.di an, die 5,5-Prozentforderung in zwei prozentuale Erhöhungsschritte aufzuteilen und eine Laufzeit von 15 Monaten zu vereinbaren. In der 4. Runde am 20. März boten die Arbeitgeber bei 30 Monaten Laufzeit eine zweistufige Erhöhung um 2,0 % ab März 2014 und weitere 1,4 % ab Juli 2015 bis Juni 2016 an.

In der 5. Verhandlungsrunde am 14./15. April konnte dann eine Einigung mit folgenden Elementen erzielt werden:

  • 4 Nullmonate (Januar bis April)
  • 3,0 % ab 01.05.14
  • 1,0 % Stufenerhöhung ab 01.04.15 
  • Laufzeit insgesamt 27 Monate bis 31.03.16
  • Verhandlungsverpflichtung zur Überarbeitung des Manteltarifvertrages
  • Verhandlungsverpflichtung über Branchen-Lohnuntergrenzen auch für tariflose Betriebe ab September 2014.

Ver.di-Verhandlungsführer Frank Werneke sprach von einem „halbwegs akzeptablen Ergebnis“, das letztlich der wochenlangen Streikbewegung zu verdanken sei. Die Druckarbeitgeber betonten, dass die unverhältnismäßige Forderung von ver.di abgewehrt werden konnte und die lange Laufzeit die notwendige Planungssicherheit herstelle. Die Manteltarifvertragsverhandlungen böten die Chance, die Betriebe langfristig zu entlasten (bvdm-Pressemeldung vom 15.4.2014).

Tageszeitungen

In regelmäßigen Abständen bricht zwischen den Verlegern und den Gewerkschaften ein grundlegender Konflikt um die tarifvertraglich geregelten Arbeits- und Einkommensbedingungen auf. Die Zeitungsverleger forderten auch im vergangenen Jahr tiefe Einschnitte in bestehende Tarifverträge. Vergleichbare Auseinandersetzungen hat es bereits in der Tarifrunde 2003/2004 und 2010/2011 gegeben (Bispinck/WSI-Tarifarchiv 2005 und 2012).

Der bundesweite Gehaltstarifvertrag für die Redakteur/innen an Tageszeitungen lief bereits Ende Juli 2013 aus, die Journalistengewerkschaften Deutsche Journalistinnen- und Journalistenunion (dju) in ver.di und Deutscher Journalisten-Verband (DJV) forderten eine Anhebung der Gehälter um 5,5 % (dju) bzw. 6 % (DJV) sowie außerdem eine Einbeziehung der Online-Redakteure in den Redakteurstarif. Im Juni 2013 kündigte der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) den Manteltarifvertrag zum Jahresende. Er sollte an den „strukturellen Wandel sowie die veränderten ökonomischen Rahmenbedingungen“ angepasst werden. Nötig sei ein Umbau des Tarifsystems.

In der 1. Verhandlungsrunde am 19.7.2013 machten die Arbeitgeber ein mögliches Gehaltsangebot von einer Paketlösung insgesamt abhängig. Als grobe Themenfelder wurden die Absenkung der Urlaubsdauer, erfolgsabhängige Bedingungen für Urlaubsgeld/Jahresleistung, die Ausweitung der Urheberrechtsklausel, die Veränderung der Gehaltsstufensteigerung und Tarifgruppen genannt. In der 2. Runde am 23.8.2013 legten die Arbeitgeber ein Konzept für eine regionale Differenzierung der Gehälter vor. Dies hätte nach Angaben der Gewerkschaften zur Folge gehabt, dass mehr als die Hälfte der Redakteurinnen und Redakteure für mehrere Jahre keine Tariferhöhungen erhalten würden. Das Regionalisierungskonzept sei ein Angriff auf den bundesweiten Flächentarifvertrag (dju, Pressemitteilung vom 23.8.2013). Erst in der 5. Runde am 11.11.2013 erfolgte ein erstes Arbeitgeber-Angebot, das für 2014 eine Einmalzahlung und erst für 2015 eine Tariferhöhung von max. 1,4 % vorsah. Ferner wurden die Kürzungsforderungen hinsichtlich Urlaub, Urlaubsgeld und Jahressonderzahlung konkretisiert. Die Gewerkschaften reagierten mit bundesweiten Streiks und Protestaktionen. In der 7. Verhandlungsrunde am 5.2.2014 legten die Arbeitgeber ein konkret ausformuliertes Tarifwerk vor. Nach Berechnungen der Gewerkschaften würden sich daraus Kürzungen zwischen 1.000 und 2.800 € pro Jahr ergeben (ver.di-Tarifinformation vom 4.3.2014). Eine neue Streikwelle in den Zeitungsredaktionen, aber zeitgleich auch in Druckereien und Verlagen war die Antwort. Die Verhandlungen zogen sich noch über weitere vier Termine hin, bis schließlich in der 11. Runde am 23./24.4.2014 eine Einigung gefunden wurde.

Der Gehaltsabschluss sieht folgende Punkte vor:

  • 9 Nullmonate (August 2013 - April 2014)
  • 2,5 % mehr Gehalt ab 05/2014
  • 1,5 % Stufenerhöhung ab 04/2015
  • Laufzeit insgesamt 29 Monate bis Dezember 2015.

Die Honorare für Freie steigen um je 1,8 % ab Juni 2014 und 2015.

Ferner wurde eine neue Gehaltsstruktur für ab Juli 2014 neu eingestellte Redakteur/innen vereinbart, die sechs Gehaltsgruppen vorsieht. Redakteur/innen mit Regelqualifikation 1 starten mit einem Monatsgehalt von 3.108 € in den ersten vier Berufsjahren. Neu eingerichtet wurde eine Einstiegsgruppe für Redakteur/innen ohne Regelqualifikation, die auf zwei Jahre begrenzt ist und mit 2.870 € bezahlt wird.

Die Online-Redakteur/innen werden in den Gehaltstarifvertrag einbezogen und müssen bis spätestens Ende September 2014 eingruppiert sein. Die Einbeziehung in den Manteltarifvertrag erfolgt bis Juli 2016.

Der Manteltarifvertrag wurde mit folgenden Änderungen wieder in Kraft gesetzt:

  • stufenweise Absenkung der Sonderzahlung von 95 auf 82,5 %
  • stufenweise Absenkung des Urlaubsgeldes von 80 auf 67,5 % eines Monatsentgeltes bis 2019
  • Reduzierung der Urlaubstage für Neueingestellte von 30 - 34 Arbeitstage (gestaffelt nach Lebensjahre) auf 30 Arbeitstage
  • Laufzeit des Vertrages bis Ende 2018.

Unter dem Strich ergibt der Tarifabschluss ein sehr gemischtes Bild: Der Gehaltsabschluss fällt – im Vergleich zu den übrigen Tarifabschlüssen des Jahres - äußerst moderat aus. Gemessen an der Ausgangsforderung der Arbeitgeber nach der Regionalisierung der Gehälter bleibt der Erhalt eines bundesweit einheitlichen Gehaltsniveaus positiv zu vermerken. Auf der Habenseite ist auch die Einbeziehung der Online-Redakteure/innen in das Tarifwerk zu verbuchen wie auch die Fortschreibung des Manteltarifvertrages. Das allerdings nur um den Preis kräftiger Einschnitte in das Leistungsniveau.

Dementsprechend fallen auch die Bewertungen durch die Tarifvertragsparteien unterschiedlich aus. Der BDZV betonte, die gefundenen „Kompromisslinien“ seien geeignet, die Zeitungsunternehmen in dem Strukturwandel „ein Stück weit zukunftsfest“ zu machen. Das von ihnen so titulierte „Tarifwerk Zukunft“ werde zur Erhaltung des Flächentarifvertrags beitragen. 2

Auf Gewerkschaftsseite war dagegen im Laufe der Verhandlungen oft vom „Tarifwerk Zumutung“ die Rede und entsprechend verhalten war die Zustimmung. Bei den Mitgliedern gab es teils heftige Kritik und die Meinung, man habe zu viele Zugeständnisse gemacht. Von „Tagen des Zorns“ schreibt ein DJV-Vorstandmitglied (Grebenhof 2014). Und aus der dju waren Zweifel zu vernehmen, ob dieser Abschluss die Branche tatsächlich stabilisieren wird (Angstmann-Koch 2014).

DJV-Verhandlungsführer Kajo Döhring meinte, es handele sich um „kein Traumergebnis“ und Frank Werneke, stellvertretender ver.di-Vorsitzender und Verhandlungsführer, sprach lediglich von einem „vertretbaren Ergebnis“. Die Zustimmung der beiden Journalistengewerkschaften beruhte im Kern auf der Einschätzung, dass angesichts der realen Machtverhältnisse und der mangelnden Bindekraft des Arbeitgeberverbandes als Alternative nur ein „tarifpolitischer Flickenteppich“ geblieben wäre mit der sehr unsicheren Perspektive von Verhandlungen um Haustarifverträge. Diese Beurteilung wurde von den aktiv Beteiligten letztlich geteilt. Die große Tarifkommission des DJV stimmte „mit Mehrheit“ zu, bei der dju-Kommission fiel sie einstimmig aus. In einer Befragung der betroffenen Mitglieder der dju stimmten 77 % dem Tarifergebnis zu.

Quelle: WSI Tarifpolitischer Halbjahresbericht 2014


(1) Volontariat, abgeschlossenes Journalistikstudium bzw. Abschluss einer anerkannten Journalistenschule.

(2)) Der Verband der Zeitungsverlage Norddeutschland scherte nachträglich aus und verweigerte seine Zustimmung. DJV und dju weigern sich, in separate Nordverhandlungen einzutreten.

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