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WSI GenderDatenPortal: Mitbestimmung: Frauen in Vorständen nach Mitbestimmung und Börsenindex 2009-2023

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Der Frauenanteil in deutschen Vorständen hat vor allem zwischen 2020 und 2023 einen deutlichen Sprung in den zweistelligen Bereich gemacht: Rund 18 Prozent aller Vorstandssitze in den 160 größten deutschen börsennotierten Unternehmen werden aktuell von Frauen besetzt (vgl. Grafik 2 und Tab. 01.1).

Zwischen 2008 und 2023 ist der Frauenanteil in den Vorstandsetagen langsam aber kontinuierlich angestiegen. Die Gesamtzahl aller weiblichen Vorstandsmitglieder wuchs im Beobachtungszeitraum von 12 Frauen (2008) auf 128 Frauen (2023), an den aktuell insgesamt 699 Vorstandspositionen in den 160 größten börsennotierten Unternehmen. Der Frauenanteil hat sich damit – ausgehend von sehr niedrigem Niveau –immerhin mehr als verzehnfacht. Nach einer zwischenzeitlich eher zögerlichen Zunahme zwischen 2021 auf 2022, stieg der Frauenanteil zuletzt allein innerhalb eines Jahres – von 2022 auf 2023 – um vier Prozentpunkte an (vgl. Tab. 01.2). (1)

Deutlich unterschiedliche Frauenanteile in den Vorstandsgremien ergeben sich je nach Unternehmensmitbestimmung, d.h. danach, ob es sich um Vorstände in „mitbestimmten“ oder „nicht-mitbestimmten“ Unternehmen handelt (ob also die Aufsichtsratsgremien dieser Unternehmen, welche den Vorstand wählen, auch aus Vertreter*innen der Arbeitnehmer*innen zusammengesetzt sind oder ausschließlich aus Vertreter*innen der Anteilseigner*innen) (vgl. Grafik 1). In der Gruppe der 160 größten börsennotierten Unternehmen in Deutschland fallen die Frauenanteile in mitbestimmten Vorständen (21 Prozent) um ein Drittel höher aus als in nicht-mitbestimmten Vorständen (14 Prozent): (2)

  • Für mitbestimmte Unternehmen ist über den gesamten Beobachtungszeitraum hinweg knapp eine Versechsfachung des Frauenanteils in den Vorständen zu konstatieren: 2008 stellten Frauen hier gut ein Prozent aller Vorstandsmitglieder, im Jahr 2023 sind ein Fünftel aller Vorstandsmitglieder Frauen.
  • In nicht-mitbestimmten Unternehmen vollzog sich dieser Anstieg langsamer. Ausgehend von einem Anteil von 5 Prozent im Jahr 2008 hat sich der Frauenanteil innerhalb des Beobachtungszeitraums fast verdreifach (2023: 14 Prozent).

Deutlich unterschiedliche Anteile weiblicher Vorstandsmitglieder ergeben sich jedoch je nach Börsenindex, zu dem ein Unternehmen gehört, also danach ob es in den Bereich des DAX40 (bis September 2021: DAX30), MDAX oder SDAX fällt (vgl. Grafik 2): Im Jahr 2023 ist fast jedes vierte Vorstandsmitglied in einem DAX40-Unternehmen weiblich (23 Prozent). Die 40 größten börsennotierten deutschen Unternehmen weisen damit anteilig gesehen ein Viertel mehr weibliche Vorstandsmitglieder auf wie die 160 größten börsennotierten Unternehmen im Durchschnitt (18 Prozent) – und damit insbesondere erheblich mehr Frauen als in den Vorständen der MDAX-Unternehmen (17 Prozent) bzw. der SDAX-Unternehmen (15 Prozent).

Innerhalb des Beobachtungszeitraums lassen sich unterschiedliche Entwicklungsdynamiken der Unternehmen je nach Börsenindex beobachten: Die DAX30- bzw. inzwischen DAX40-Unternehmen haben ab 2012 große Schritte bei der Anhebung ihres Frauenanteils in Vorständen gemacht. Bei den Unternehmen aus MDAX und SDAX variiert die Entwicklung im Beobachtungszeitraum stärker, eine deutliche Zunahme für die MDAX-Unternehmen zeigt sich erst für das Jahr 2023 bzw. für die SDAX-Unternehmen seit dem Jahr 2020 (vgl. Tab. 01.2).

Einfluss auf die Höhe des Frauenanteils in den Vorständen nimmt – auch innerhalb der jeweiligen Börsenindizes – zusätzlich die Form der Unternehmensmitbestimmung (vgl. Grafik 3).

  • Den geringsten Unterschied zwischen mitbestimmten und nicht-mitbestimmten Unternehmen findet sich 2023 für die DAX40-Unternehmen: Der Frauenanteil im Vorstand fällt hier generell am höchsten aus, dies gilt in ähnlichem Umfang für mitbestimmte (23 Prozent) wie nicht-mitbestimmte Unternehmen (21 Prozent).
  • Auch in SDAX-Unternehmen weisen mitbestimmte Unternehmen (17 Prozent) leicht höhere Anteile weiblicher Vorstandsmitglieder auf als nicht-mitbestimmte Unternehmen (13 Prozent).
  • Anders dagegen in MDAX-Unternehmen: Mitbestimmte Unternehmen weisen einen durchschnittlich fast doppelt so hohen Anteil an Frauen im Vorstand auf (20 Prozent) wie nicht-mitbestimmte Unternehmen (11 Prozent).

Hintergrund: Das nur zögerliche Anwachsen des Frauenanteils in den Vorstandsgremien galt innerhalb des Beobachtungszeitraums lange Zeit für Unternehmen aus MDAX und SDAX, aber auch für die DAX30- bzw. inzwischen DAX40-Unternehmen. Ursache hierfür war, dass es in Deutschland vor 2021 überhaupt keine verbindlichen Vorgaben zur Besetzung von Unternehmensvorständen nach Geschlecht gab.

Die 2015 eingeführte gesetzliche Geschlechterquote (FüPoG, vgl. Glossar) gilt weiterhin lediglich für Aufsichtsratsgremien – und dies auch nur in börsennotierten und zugleich paritätisch-mitbestimmten Unternehmen – nicht aber für Vorstandsgremien. (3) Die darin enthaltene Verpflichtung für alle börsennotierten oder mitbestimmten Unternehmen, sich selbst Zielvorgaben für die Weiterentwicklung des Frauenanteils im Vorstand zu setzen, hatte zunächst keinen durchschlagenden Effekt. Vielmehr hat sich eine große Zahl der Unternehmen daraufhin zunächst für die niedrigste zulässige Zielvorgabe entschieden.

  • Im Jahr 2018 hatten zwei Drittel der 160 größten börsennotierten Unternehmen noch keine einzige Frau im Vorstand. Dennoch hatten sich zu diesem Zeitpunkt insgesamt 79 Unternehmen von ihnen entweder kein Ziel in Bezug auf die Frauenquote der nächsten Jahre gesetzt oder sich für die Zielgröße „Null“ entschieden. (4)
  • Im Vergleich dazu hatte sich die Situation bis zum Jahresende 2022 etwas verbessert: (5) Mit 82 Unternehmen hatte „nur“ noch gut die Hälfte der Unternehmen zum Jahresende 2022 kein weibliches Vorstandsmitglied (darunter auch sechs DAX40-Unternehmen). (6)
  • Zum Jahresende 2023 haben unter den 160 größten börsennotierten Unternehmen in Deutschland weiterhin 61 Unternehmen keine Frau im Vorstandsgremium (darunter auch drei DAX40-Unternehmen).

Nicht zuletzt wegen dieses langsamen Fortschritts trat im August 2021 mit dem sog. FüPoG II-Gesetz eine Regelung zur geschlechtlichen Mindestbesetzung in Vorständen in Kraft. Denn: „Ähnlich wie bei der Geschlechterquote für Aufsichtsräte zeichnet sich auch mit Blick auf die Vorstände ab, dass gesetzliche Vorgaben ein effektives Instrument sind, um den Frauenanteil in Spitzengremien zu erhöhen […]“. (7) Das FüPoG II verlangt von allen paritätisch-mitbestimmten Börsenunternehmen mit mehr als einem dreiköpfigen Vorstandsgremium – für alle Besetzungen im Vorstand ab dem 01. August 2022 – mindestens ein weibliches (bzw. mindestens ein männliches) Vorstandsmitglied (vgl. Glossar).

  • Zum Jahresende 2023 können allerdings weiterhin vier der hier betrachteten 160 Unternehmen die neue gesetzliche Vorgabe gemäß FüPoG II nicht erfüllen, da keins ihrer Vorstandsmitglieder eine Frau ist, obwohl sie alle paritätisch-mitbestimmt sind und einen Vorstand mit mindestens vier Sitzen aufweisen (und sie damit zum Kreis der 60 Unternehmen in Deutschland gehören, für die die Bestimmungen des FüPoG II gelten). Es handelt sich um zwei SDAX-Unternehmen, ein MDAX-Unternehmen und ein Unternehmen aus dem DAX40.

Problematisch bleibt, dass mit der (in einem Teil der börsennotierten Unternehmen) nun gesetzlich vorgeschriebenen Mindestbesetzung mit Frauen und Männern, noch lange keine ausgewogene Geschlechterzusammensetzung in den Vorständen entsteht. „Von der alten Norm (im Vorstand gibt es nur Männer) bewegen sich die Unternehmen hin zu einer neuen Norm: in jeden Vorstand gehört eine Frau. Und zwar genau eine.“ (8)

Problematisch bleibt zudem, dass das FüPoG II-Gesetz in Deutschland nur für paritätisch-mitbestimmte Unternehmen gilt, nicht jedoch für drittelmitbestimmte bzw. nicht-mitbestimmte Unternehmen.

  • So weisen zum Jahresende 2023 weitere 19 Unternehmen mit einem mindestens vierköpfigen Vorstand (zwei aus dem DAX40, fünf aus dem MDAX sowie 12 aus dem SDAX) kein weibliches Vorstandsmitglied auf. Da diese 19 Unternehmen alle nicht paritätisch-mitbestimmt sind, unterliegen sie jedoch nicht den Bestimmungen aus dem FüPoG II-Gesetz. Ihre Entscheidung gegen Frauen im Vorstand ist daher gesetzlich zulässig.

Gerade im Fall von nicht-paritätisch-mitbestimmten Unternehmen besteht daher weiterer politischer Handlungsbedarf. Denn: „… viele Unternehmen begehen den Fehler, für die Chancengleichheit immer nur so viel zu tun, wie gesetzlich vorgeschrieben ist. Damit wäre die Stagnation vorprogrammiert, wenn in jedem Vorstand erst einmal eine Frau vertreten ist.“ (9).

Weitere Informationen (Definitionen wichtiger Begriffe und methodische Anmerkungen zur Datengrundlage) sind in den Pdf-Dateien enthalten, die zum Download bereitstehen.

 

Bearbeitung: Svenja Pfahl, Maike Wittmann

 

Literatur

Allbright Stiftung gGmbH (2024): MIND THE GAP. Deutschland bleibt beim Frauenanteil im Top-Management weit hinter Großbritannien, Bericht September 2024, Berlin, letzter Zugriff: 23.04.2025.

Allbright Stiftung gGmbH (2023): Einsam an der Spitze. Unternehmen holen Frauen in die Vorstände, aber in der Regel nur eine, Bericht September 2023, Berlin, letzter Zugriff: 23.04.2025.

Allbright Stiftung gGmbH (2018): Die Macht der Monokultur. Erst wenigen Börsenunternehmen gelingt Vielfalt in der Führung, Bericht September 2018, Berlin, www.allbright-stiftung.de/berichte, letzter Zugriff: 23.04.2025.

BMAS (2024): Mitbestimmung – Eine gute Sache. Alles über die Mitbestimmung und ihre rechtlichen Grundlagen, Bonn, letzter Zugriff: 23.04.2025.

DGB Bundesvorstand (o.J.): Deine Stimme zählt. Mitbestimmung im Betrieb, DGB-Webseite, Berlin, letzter Zugriff: 23.04.2025.

Frankfurter Börse (o. J.): Börsenlexikon, letzter Zugriff: 23.04.2025.

Hans-Böckler-Stiftung (2023): Mitbestimmungsportal, Ressourcen & Tools für den Aufsichtsrat, letzter Zugriff: 23.04.2025.

Hans-Böckler-Stiftung (2023): Mitbestimmungsportal, Wissen kompakt. Häufige Fragen: Geschlechterquote, letzter Zugriff: 23.04.2025.

Kirsch, Anja/Sondergeld, Virginia/Wrohlich, Katharina (2023): Erneut mehr Frauen in Vorständen großer Unternehmen – durch Beteiligungsgebot angestoßene Dynamik lässt aber nach. In: Managerinnen-Barometer, DIW Wochenbericht Nr. 03/2023, S. 22-33, letzter Zugriff: 23.04.2025.

Kirsch, Anja/Sondergeld, Virginia/Wrohlich, Katharina (2022): Deutlich mehr Vorständinnen in großen Unternehmen – Beteiligungsgebot scheint bereits zu wirken. In: Managerinnen-Barometer, DIW Wochenbericht Nr. 03/2022, S. 22-33, letzter Zugriff: 23.04.2025.

Pfahl, Svenja/Unrau, Eugen (2025): Frauen in Aufsichtsräten nach Mitbestimmung und Börsenindex 2009-2023. In: WSI GenderDatenPortal.

Pfahl, Svenja/Unrau, Eugen (2025): Frauen in Aufsichtsräten nach Seite der Anteilseigner- bzw. Arbeitnehmer*innen 2009-2023. In: WSI GenderDatenPortal.

Sondergeld, Virginia/Wrohlich, Katharina (2021): Mindestbeteiligung von Frauen in Vorständen: Einige Unternehmen sind neuem Gesetz bereits zuvorgekommen. In: DIW Aktuell Nr. 65/2021, S.1-7, letzter Zugriff: 23.04.2025.

Weckes, Marion (2019): Strahlungsarmes „Quötchen“. Die Geschlechterverteilung in Aufsichtsrat und Vorstand 2019, Mitbestimmungsreport Nr. 48, Hans-Böckler-Stiftung, Düsseldorf, letzter Zugriff: 23.04.2025.

Weckes, Marion (2015): Geschlechterverteilung in Vorständen und Aufsichtsräten, Report Nr. 10, Hans-Böckler-Stiftung, Abteilung Mitbestimmungsförderung, Düsseldorf, letzter Zugriff: 23.04.2025.

Weckes, Marion (2011): Geschlechterverteilung in Vorständen und Aufsichtsräten in den 160 börsennotierten Unternehmen (Dax-30, M-Dax, S-Dax, Tec Dax) zum 31. Januar 2011, Arbeitspapier, Hans-Böckler-Stiftung, Abteilung Mitbestimmungsförderung, Düsseldorf.

 


(1) So auch die Analyse des DIW-Managerinnen-Barometers, vgl. Kirsch, Anja/Sondergeld, Virginia/Wrohlich, Katharina (2023): Erneut mehr Frauen in Vorständen großer Unternehmen – durch Beteiligungsgebot angestoßene Dynamik lässt aber nach. In: Managerinnen-Barometer, DIW Wochenbericht Nr. 03/2023, S. 22-33.

(2) Dieser Effekt zeigt sich in ähnlicher Weise auch für die Gleichstellung in Aufsichtsräten, vgl. Pfahl, Svenja/Unrau, Eugen (2025): Frauen in Aufsichtsräten nach Mitbestimmung und Börsenindex 2009-2023. In: WSI GenderDatenPortal.

(3) Vgl. Pfahl, Svenja/Unrau, Eugen (2025): Frauen in Aufsichtsräten nach Mitbestimmung und Börsenindex 2009-2023. In: WSI GenderDatenPortal sowie: Pfahl, Svenja/Unrau, Eugen (2025): Frauen in Aufsichtsräten nach Seite der Anteilseigner- bzw. Arbeitnehmer*innen 2009-2023. In: WSI GenderDatenPortal.

(4) Vgl. Allbright Stiftung gGmbH (2018): Die Macht der Monokultur. Erst wenigen Börsenunternehmen gelingt Vielfalt in der Führung, Bericht September 2018, Berlin, S. 8.

(5) Einige Unternehmen haben die Anzahl von Frauen in ihren Vorständen bereits in der Ankündigungsphase der Gesetzesnovelle erhöht, so dass es bereits seit Ende 2020 zu einem deutlichen Anstieg des Frauenanteils kam, vgl. dazu: Sondergeld, Virginia/Wrohlich, Katharina (2021): Mindestbeteiligung von Frauen in Vorständen: Einige Unternehmen sind neuem Gesetz bereits zuvorgekommen. In: DIW Aktuell Nr. 65/2021, S. 5.

(6) Die Allbright Stiftung veröffentlicht in regelmäßigen Abständen die Namen der 160 größten börsennotierten Unternehmen mit mindestens einem 40-Prozent-Frauenanteil im Vorstand, mit mindestens einer Frau im Vorstand bzw. mit keiner einzigen Frau im Vorstand (vgl. Allbright Stiftung gGmbH (2024): MIND THE GAP. Deutschland bleibt beim Frauenanteil im Top-Management weit hinter Großbritannien, Bericht September 2024, Berlin, S. 12ff.)

(7) Kirsch, Anja/Sondergeld, Virginia/Wrohlich, Katharina (2022): Deutlich mehr Vorständinnen in großen Unternehmen – Beteiligungsgebot scheint bereits zu wirken. In: Managerinnen-Barometer, DIW Wochenbericht Nr. 03/2022, S. 22.

(8) Allbright Stiftung gGmbH (2023): Einsam an der Spitze. Unternehmen holen Frauen in die Vorstände, aber in der Regel nur eine, Bericht September 2023, Berlin, Seite 4.

(9) Allbright Stiftung gGmbH (2024): MIND THE GAP. Deutschland bleibt beim Frauenanteil im Top-Management weit hinter Großbritannien, Bericht September 2024, Berlin, S. 4. Zum weiter fortbestehenden Reformbedarf des FüPoG II Gesetzes vgl. auch: Weckes, Marion (2019): Strahlungsarmes „Quötchen“. Die Geschlechterverteilung in Aufsichtsrat und Vorstand 2019, Mitbestimmungsreport Nr. 48, Hans-Böckler-Stiftung.

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