Systemrelevant Podcast: Sind 14,60 Euro Mindestlohn gerecht?
Was macht eigentlich die Mindestlohnkommission genau und wie angemessen sind nun 14,60 Euro Mindestlohn? Bettina Kohlrausch und Malte Lübker vom WSI erklären und bewerten das alles in einer neuen Folge Systemrelevant.
[10.07.2025]
Der Mindestlohn soll von aktuell 12,82 Euro zum 1. Januar 2026 auf 13,90 Euro und zum 1. Januar 2027 auf 14,60 Euro steigen. Dies löste im Vorfeld Diskussionen aus, da die im Wahlkampf versprochenen 15 Euro nicht erreicht wurden und gleichzeitig Befürchtungen vor negativen Auswirkungen auf die Betriebe geäußert wurden.
Malte Lübker, Referatsleiter für Tarif- und Einkommensanalysen des WSI, erklärt eingangs, was die Mindestlohnkommission eigentlich genau ist und was sie alle zwei Jahre macht. Nämlich: einen Vorschlag für die Mindestlohnentwicklung. Sie besteht aus je drei Vertretern der Gewerkschaften und Arbeitgeber, einer neutralen Vorsitzenden und zwei wissenschaftlichen Mitgliedern ohne Stimmrecht. Die Kommission orientiert sich an der Tarifentwicklung und seit kurzem an einem Referenzwert von 60 Prozent des Medianlohns (Europäische Mindestlohnrichtlinie).
Die Einführung des Mindestlohns wurde notwendig, betont Bettina Kohlrausch, Direktorin des WSI, da das traditionelle System der Lohnfindung durch Tarifverträge aufgrund sinkender Tarifbindung und des wachsenden Niedriglohnsektors nicht mehr garantieren konnte, dass Vollzeitarbeit zur Sicherung des Lebensunterhalts ausreicht. Der Mindestlohn soll Arbeit armutsfest machen und die gesellschaftliche Teilhabe sichern. Er wirkt sich oft positiv auf Frauen aus, die häufiger in Niedriglohnbereichen arbeiten.
Entgegen oft geäußerter Befürchtungen (Massenarbeitslosigkeit, Betriebsschließungen) haben sich diese Szenarien in der Vergangenheit nicht bewahrheitet. Der Anteil der Niedriglohnbeschäftigten ist sogar zurückgegangen. Malte Lübker erklärt, dass der Mindestlohn keine Wettbewerbsnachteile schafft, da er für alle gilt. Die Betriebe passen sich an, etwa durch effizientere Organisation. Die Inflationseffekte durch Mindestlohnerhöhungen sind gering (z.B. 0,14 Prozentpunkte bei der 12-Euro-Erhöhung laut Bundesbank).
Der Mindestlohn ist eine der wenigen Maßnahmen, von der häufiger Frauen profitieren, weil Frauen einfach häufiger in diesen Niedriglohnbereichen zu finden sind.
Die Erhöhung auf 14,60 Euro ist die größte reale Erhöhung in der Geschichte der Mindestlohnkommission und liegt deutlich über der Inflation. Obwohl die 15 Euro nicht sofort erreicht werden, sind sie perspektivisch in Reichweite (voraussichtlich 2028). Die Einigung der Kommission wird als Erfolg gewertet, da ein Scheitern und eine Abstimmung gegen die Gewerkschaften das Ende der Kommission bedeutet hätte.
Alles zum Thema und noch mehr zur Mindestlohndebatte, erfahrt ihr beim Hören der Folge.
Moderation: Marco Herack
Alle Informationen zum Podcast
In Systemrelevant analysieren führende Wissenschaftler:innen der Hans-Böckler-Stiftung gemeinsam mit Moderator Marco Herack, was Politik und Wirtschaft bewegt: makroökonomische Zusammenhänge, ökologische und soziale Herausforderungen und die Bedingungen einer gerechten und mitbestimmten Arbeitswelt – klar verständlich und immer am Puls der politischen Debatten.
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