WSI GenderDatenPortal: Sorgearbeit: Ganztagsbetreuung von Kleinkindern nach Alter und Region 2007-2024
Grafiken, Analyse, Tabellen (pdf)
Im Jahr 2024 wird deutschlandweit fast jedes zweite Kind im Alter zwischen 3 und unter 6 Jahren ganztägig betreut, d. h. es befindet sich mindestens 7 Stunden pro (Werk-)Tag in institutioneller Betreuung (Grafik 1). Bei Kindern unter 3 Jahren ist immerhin jedes fünfte Kind in einer Ganztagsbetreuung.
Innerhalb des Beobachtungszeitraums 2007 bis 2024 lässt sich ein starker Anstieg der Ganztagsbetreuung verzeichnen (vgl. Grafik 1): Bei den 3- bis unter 6-jährigen Kindern hat sich der Anteil der ganztagsbetreuten Kinder in Deutschland von 24 Prozent (2007) auf 47 Prozent (2024) fast verdoppelt, bei den Kindern unter 3 Jahren fast verdreifacht (von 7 Prozent in 2007 auf 20 Prozent in 2024). Diese Entwicklung ist auf den raschen Anstieg der Ganztagsbetreuung zwischen 2007 und 2015 zurückzuführen.
Im Jahr 2021 ist die Ganztagsbetreuungsquote erstmals innerhalb des Beobachtungszeitraums leicht gesunken. Ein Grund dafür ist die veränderte Betreuungssituation durch die Corona-Pandemie. Durch Lockdowns und Kontaktbeschränkungen kam es 2020 und 2021 zur zwischenzeitlichen Schließung von KiTas bzw. zu einer Einschränkung der institutionellen Kinderbetreuung. (1) Dadurch konnte eine große Zahl an Kindern temporär gar nicht oder nur in geringerem Umfang betreut werden. (2) Der Wechsel der Eltern in Home-Office oder Kurzarbeit hat dazu beigetragen, dass manche Familien gar nicht (mehr) zwingend auf einen Ganztagsplatz angewiesen waren.
Der regionale Vergleich (vgl. Grafik 2) zeigt, dass die Ganztagsbetreuung von Kleinkindern in Ostdeutschland immer noch deutlich stärker etabliert ist als in Westdeutschland:
- Im Jahr 2024 war die Ganztagsbetreuungsquote für Kinder zwischen 3 und 6 Jahren in Ostdeutschland mit 73 Prozent um mehr als 30 Prozentpunkte höher als in Westdeutschland (41 Prozent). Bei den Kindern unter 3 Jahren fällt die Ganztagsbetreuungsquote in Ostdeutschland (42 Prozent) sogar fast dreimal höher aus als in Westdeutschland (16 Prozent). (3)
- Der Abstand der Ganztagsbetreuungsquote zwischen West- und Ostdeutschland hat sich zwischen 2007 und 2024 bei Kindern im Alter zwischen 3 und 6 Jahren verringert (von 43 auf 32 Prozentpunkte), vor allem weil die Ganztagsbetreuung in Westdeutschland– von einem niedrigen Ausgangsniveau startend – stark aufgeholt hat.
- Bei Kindern unter 3 Jahren hat der sich der Vorsprung Ostdeutschlands bei der Ganztagsbetreuungsquote innerhalb des Beobachtungszeitraums sogar noch vergrößert: von 24 Prozentpunkten im Jahr 2007 auf 26 Prozentpunkte im Jahr 2024. Zwar werden 2024 auch in Westdeutschland deutlich mehr unter 3-Jährige ganztags betreut als noch 2007 (16 anstelle von 3 Prozent), parallel dazu ist ihr Anteil aber auch in Ostdeutschland weiter angestiegen (von 27 auf 42 Prozent).
Noch extremer fallen die Unterschiede der Ganztagsbetreuung im Vergleich der einzelnen Bundesländer aus (vgl. Grafik 3):
- Kinder zwischen 3 und 6 Jahren werden in Thüringen fast ausnahmslos ganztags betreut (92 Prozent). Im Vergleich dazu weist Berlin (mit 55 Prozent) die niedrigste Quote aller ostdeutschen Bundesländer auf, liegt damit aber immer noch gleichauf mit Rheinland-Pfalz (56 Prozent), dem westdeutschen Bundesland mit der zweithöchsten Ganztagsbetreuungsquote. Die mit Abstand niedrigste Ganztagsbetreuungsquote in Deutschland weist Baden-Württemberg (23 Prozent) auf.
- Noch deutlicher sind die Länderunterschiede bei der Ganztagsbetreuung von Kleinkindern unter 3 Jahren: Auch hier weisen alle ostdeutschen Bundesländer deutlich höhere Ganztagsbetreuungsquoten auf als alle westdeutschen Bundesländer. Mit 54 Prozent fällt die höchste Betreuungsquote in einem ostdeutschen Bundesland (Thüringen) rund fünfmal so hoch aus wie die niedrigste Betreuungsquote in einem westdeutschen Bundesland (Bayern und Baden-Württemberg: 11 Prozent).
Trotz des starken Ausbaus der institutionalisierten Kinderbetreuung in den letzten Jahren, wird der Bedarf an Kinderbetreuung in Deutschland aktuell immer noch nicht gedeckt.
- Dies gilt besonders für den Betreuungsbedarf von Kindern unter 3 Jahren. Im Jahr 2023 besteht für 14 Prozent der unter 3-Jährigen ein ungedeckter Betreuungsbedarf. Denn: Für 51 Prozent der Kinder wird von den Eltern der Bedarf nach institutioneller Betreuung formuliert, es befanden sich aber nur 37 Prozent der Kinder in institutioneller Betreuung. (4) Hinzu kommt, dass es auch für die besonders jungen betreuten Kinder immer wieder zu Abweichungen im Betreuungsalltag kommt. So berichten 60 Prozent der Eltern von gekürzten Öffnungszeiten sowie 47 Prozent von ungeplanten Schließtagen in den Betreuungseinrichtungen ihrer unter 3-jährigen Kinder – welche vor allem auf Personalmangel in den Einrichtungen zurückzuführen sind. (5)
- Der Betreuungsbedarf von Kindern zwischen 3 und unter 6 Jahren wird in Deutschland hingegen deutlich besser erfüllt. Für 97 Prozent der Kinder formulieren die Eltern Betreuungsbedarf, für 94 Prozent der Kinder besteht ein Betreuungsangebot. Nur für 3 Prozent bleibt der Betreuungsbedarf ungedeckt. (6) Allerdings kommt es auch für die etwas älteren Kinder nicht selten zu Störungen im eigentlich geplanten Betreuungsarrangement: so berichten 62 Prozent der Eltern von gekürzten Öffnungszeiten sowie 44 Prozent von ungeplanten Schließtagen in den Betreuungseinrichtungen (v.a. in Westdeutschland), die sich vor allem aus kurz- oder längerfristigem Personalmangel ergeben. (7).
Zeitliche Passgenauigkeit bleibt problematisch: Auch wenn inzwischen mehr Kinder ganztägig betreut werden, zeigen detaillierte Analysen, dass die angebotenen Betreuungszeiten nicht ganz passgenau die Bedarfe der Eltern treffen. Problematisch sind v.a. längere Schließzeiten im Sommer sowie fehlende Betreuungsstunden am (späteren) Nachmittag, wie das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) berechnet hat. Ein solches verlängertes Betreuungsangebot vermissen 29 Prozent aller Familien mit Kindern unter drei Jahren sowie 37 Prozent Familien mit Kindern zwischen drei und sechs Jahren. „Eine bessere Passung der Angebote an die Bedarfe der Eltern ist notwendig“, resümiert daher die BiB-Studie. (8) Auch in der Böckler-Erwerbspersonenbefragung 2024 berichten rund 60 Prozent der erwerbstätigen bzw. arbeitssuchenden Eltern von verkürzten Betreuungszeiten oder zeitweise Schließungen ihrer Betreuungseinrichtungen. Die Autor*innen der Studie warnen daher: „Zu geringes Angebot und mangelnde Verlässlichkeit bei Kitas und Ganztagsschulen sind längst ein kritischer Engpass für die Berufstätigkeit von Millionen Eltern, insbesondere Müttern.“ (9)
Neben dem Ausbau des Betreuungsangebotes stellt daher auch die Sicherung von Qualität und die zeitliche Zuverlässigkeit der Angebote eine wichtige Aufgabe des Staates dar, um die Erwerbstätigkeit von Müttern mit kleinen Kindern zu unterstützen. (10) Immerhin benennt das 2023 in Kraft getretene KiTa-Qualitätsgesetz die dafür notwendigen „bedarfsgerechten Angebote“ sowie die „Gewinnung und Sicherung von qualifizierten Fachkräften“ als zwei von sieben Handlungsfeldern für eine (weitere) Qualitätsentwicklung in der frühkindlichen Bildung. (11) Leider nicht im Gesetz als Handlungsfeld verankert ist der „Abbau von Ungleichheiten im Zugang zu Kinderbetreuung“, beklagen die Autor*innen einer BiB-Studie von 2023. Und dies, obwohl sie für Kinder aus bildungsferneren Haushalten, aus armutsgefährdeten Haushalten sowie aus Familien, die zu Hause hauptsächlich kein Deutsch sprechen, viel häufiger einen ungedeckten Betreuungsbedarf nachweisen können als für andere Kinder. (12)
Weitere Informationen (Definitionen wichtiger Begriffe und methodische Anmerkungen zur Datengrundlage) sind in den Pdf-Dateien enthalten, die zum Download bereitstehen.
Bearbeitung: Svenja Pfahl, Eugen Unrau, Anika Lindhorn
Literatur
Böttcher, Sabine/Gebauer, Ronald (2020): Kitas und Kindererziehung in Ost und West. Lange Wege der Deutschen Einheit. Bundeszentrale für politische Bildung, letzter Zugriff: 11.06.2025.
Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (2023): Engpass auch während der Ferienzeit: Ganztagsbetreuung von Kita-Kindern nicht bedarfsgerecht, Pressemitteilung vom 03.07.2024, letzter Zugriff: 11.06.2025.
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2024a): Kindertagesbetreuung Kompakt. Ausbaustand und Bedarf 2023, letzter Zugriff: 11.06.2025.
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2024b): Für gute Kinderbetreuung bundesweit: das KiTa-Qualitätsgesetz, letzter Zugriff: 11.06.2025.
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2022): Bundesrat stimmt KiTa-Qualitätsgesetz zu, letzter Zugriff: 11.06.2025.
Deutsches Jugendinstitut (2022): Quartalsbericht der Corona-KiTa-Studie. 7. Quartalsbericht (II/2022), April 2022, letzter Zugriff: 11.06.2025.
Hans Böckler Stiftung (2025): Bei Kita oder Ganztagsschule: 59% der erwerbstätigen Eltern mit Schließungen oder verkürzten Betreuungszeiten konfrontiert. Pressemitteilung vom 29.01.2025, Hans Böckler Stiftung, letzter Zugriff: 11.06.2025.
Kayed, Theresia/Wieschke, Johannes/Kuger, Susanne (2024): Frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung: Der elterliche Bedarf im U3- und U6-Bereich. DJIKinderbetreuungsreport 2024, letzter Zugriff: 11.06.2025.
Schmitz, Sophia/Spieß, Katharina/Huebener, Mathias (2023): Weiterhin Ungleichheiten bei der Kita-Nutzung. Größter ungedeckter Bedarf in grundsätzlich benachteiligten Familien. In: Bevölkerungsforschung Aktuell Nr. 02-2023, Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung, S. 3-8, letzter Zugriff: 11.06.2025.
Statistische Ämter des Bundes und der Länder (2019): Kindertagesbetreuung regional 2018. Ein Vergleich aller Kreise in Deutschland,letzter Zugriff: 11.06.2025.
Statistische Ämter des Bundes und der Länder (2010): Kindertagesbetreuung regional 2009. Ein Vergleich aller 412 Kreise in Deutschland, Wiesbaden, letzter Zugriff: 11.06.2025.
Wrohlich, Katharina (2024): Erwerbsbeteiligung von Frauen. Ursachen des hohen Teilzeitanteils und politische Handlungsoptionen. In: Aus Politik und Zeitgeschichte 22+23/74, S. 33-38, letzter Zugriff: 11.06.2025.
(1) Da die Erhebung der verwendeten Daten jährlich zum 01. März erfolgt (siehe Glossar), sind die Effekte des ersten Corona-Lockdowns ab Mitte März 2020 hier nicht sichtbar.
(2) Vgl. Deutsches Jugendinstitut (2022): Quartalsbericht der Corona-Kita-Studie, S.14f.
(3) Regionale Unterschiede in den Betreuungsquoten zwischen West- und Ostdeutschland sind auf die nachwirkende große Bedeutung von (ganztägiger) öffentlicher Kinderbetreuung zu DDR-Zeiten zurückzuführen. In der DDR war öffentliche Kinderbetreuung als unterste Stufe Bestandteil des staatlichen Bildungssystems und auf die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit (gerade für Frauen) ausgelegt. In der ehemaligen Bundesrepublik war Kinderbetreuung stärker im Privaten verordnet und fand in öffentlichen Einrichtungen wenn dann halbtägig statt. Vgl. Böttcher, Sabine/Gebauer, Ronald (2020): Kitas und Kindererziehung in Ost und West.
(4) Vgl. Kayed, Theresia/Wieschke, Johannes/Kuger, Susanne (2024): Frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung: Der elterliche Bedarf im U3- und U6-Bereich. DJIKinderbetreuungsreport 2024, S. 5f.
(5) Vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2024a): Kindertagesbetreuung Kompakt, S. 20f.
(6) Vgl. Kayed, Theresia/Wieschke, Johannes/Kuger, Susanne (2024): Frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung: Der elterliche Bedarf im U3- und U6-Bereich. DJIKinderbetreuungsreport 2024, S. 6f.
(7) Vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2024a): Kindertagesbetreuung Kompakt, S. 35f.
(8) Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (2023): Engpass auch während der Ferienzeit: Ganztagsbetreuung von Kita-Kindern nicht bedarfsgerecht, Pressemitteilung vom 03.07.2024.
(9) Hans Böckler Stiftung (2025): Bei Kita oder Ganztagsschule: 59% der erwerbstätigen Eltern mit Schließungen oder verkürzten Betreuungszeiten konfrontiert, Pressemitteilung vom 29.01.2025.
(10) Vgl. Wrohlich, Katharina (2024): Erwerbsbeteiligung von Frauen. Ursachen des hohen Teilzeitanteils und politische Handlungsoptionen. In: Aus Politik und Zeitgeschichte 22+23/74, S. 36.
(11) Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2022): Bundesrat stimmt KiTa-Qualitätsgesetz zu sowie Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2024b): Für gute Kinderbetreuung bundesweit: das KiTa-Qualitätsgesetz.
(12) Schmitz, Sophia/Spieß, Katharina/Huebener, Mathias (2023): Weiterhin Ungleichheiten bei der Kita-Nutzung. Größter ungedeckter Bedarf in grundsätzlich benachteiligten Familien.