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WSI Verteilungsmonitor: Frage 4: Besserer Überblick?

  • HBS

4. Was könnte man tun, um die Datenbasis zu verbessern und einen besseren Überblick über Einkommen und Vermögen zu bekommen?

Ungleichheitsanalysen auf Basis von Befragungsdaten unterschätzen oftmals das Ausmaß der Ungleichheit, denn das Einkommen oder Vermögen am oberen Ende der Einkommensverteilung wird meist unterschätzt. Grund hierfür ist, dass reiche Personen seltener an diesen Befragungen teilnehmen (z.B. Vermeulen 2018). Daher eignen sich Daten der Einkommenssteuerstatistik eher, um Ungleichheiten zu messen. Allerdings werden Kapitaleinkommen seit der Einführung der Abgeltungssteuer 2009 nicht mehr systematisch erfasst. Da vor allem Personen im oberen Einkommensbereich Kapitaleinkommen beziehen, wird auch auf diesem Weg die Einkommensungleichheit unterschätzt.

Mögliche Lösungen für eine bessere Datengrundlage, um eine präzisere Schätzung der Einkommens- und Vermögensungleichheit zu erreichen, könnten daher sein:

  1. Rückkehr zur synthetischen Einkommensbesteuerung: Wenn auch Kapitaleinkommen mit dem persönlichen Steuersatz versteuert würden, könnten so auch Kapitaleinkommen und somit auch das Einkommen der Reichsten  besser erfasst werden (Behringer et al. 2014).
  2. Oversampling von Reichen: Im Household Finance and Consumption Survey (HFCS) und in der aktuellen Welle des SOEP (v36) werden Vermögende überproportional in das Sample gezogen, um die Unterrepräsentanz bei der Teilnahme auszugleichen. Dennoch zeigen Vergleiche mit Reichenlisten oder der gesamtwirtschaftlichen Finanzierungsrechnung, dass das Vermögen der Super-Reichen weiterhin unterschätzt wird (Vermeulen (z.B. Bach et al. 2019; Schröder et al. 2020).
  3. Zusammenführen von Umfragedaten mit administrativen Daten: Nicht zuletzt während der Covid-19-Pandemie wurde der Bedarf an guten Daten deutlich, um Probleme und kausale Zusammenhänge aufzuzeigen. In Deutschland werden durchaus viele Daten erhoben, nur dürfen sie oftmals nicht miteinander verknüpft werden – ein Umstand, der die evidenzbasierte Politikberatung (Riphahn 2020) erschwert, denn: „Gute Politik braucht gute Wissenschaft und gute Wissenschaft braucht (gute) Daten“ (ebd., S. 307). Daher bedarf es einer besseren Bereitstellung von Daten sowie der Möglichkeit, diese zu verknüpfen – natürlich stets unter strenger Einhaltung des Datenschutzes.

 

Literatur

Bach, S./Thiemann, A. /Zucco, A. (2019): Looking for the missing rich: tracing the top tail of the wealth distribution. International Tax and Public Finance 26, S. 1234–1258.

Behringer, J./Theobald, T./van Treeck, T. (2014): Einkommens- und Vermögensverteilung in Deutschland – Eine makroökonomische Sicht (pdf), IMK Report Nr. 99.

Schröder, C./Bartels, C./Göbler, K./Grabka, M.M./König, J. (2020): MillionärInnen unter dem Mikroskop: Datenlücke bei sehr hohen Vermögen geschlossen – Konzentration höher als bisher ausgewiesen. DIW Wochenbericht Nr. 29/2020, S. 511-521.

Riphahn, R. (2020): Wissenschaft braucht Daten. Wirtschaftsdienst 100 (5), S. 306-307.

Vermeulen, P. (2018): How Fat is the Top Tail of the Wealth Distribution? The Review of Income and Wealth, 64(2), S. 357-387.

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