zurück
WSI-Mitteilungen

Rudolph, Helmut : „Aufstocker“: Folge der Arbeitsmarktreformen?

Ausgabe 03/2014

WSI-Mitteilungen 3/2014, Seiten 207–217

Zusammenfassung

Der verbreitete Bezug von Grundsicherungsleistungen ergänzend zum Erwerbseinkommen belegt für die einen den Irrweg einer arbeitsmarktpolitischen Niedriglohnstrategie, für die anderen nur die geringe Produktivität der Beschäftigten. Das Phänomen der sogenannten Aufstocker ist jedoch nicht durch die Einführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende im Zuge der Hartz-Reformen entstanden. Bereits zuvor gab es in vergleichbarer Größenordnung Aufstocker im Sinne von Erwerbstätigen, die in Haushalten mit einkommensabhängigen Sozialleistungen lebten. Die Gründe dafür analysiert der Beitrag.
Sehr niedrige Stundenlöhne, geringe realisierte Erwerbsbeteiligung und Unterbeschäftigung sind wesentliche Ursachen des Aufstockens. Ein Mindestlohn kann dem überwiegenden Teil der Aufstocker zwar höhere Bruttolöhne bringen und ein Zeichen der Wertschätzung von Arbeit setzen, aber wegen der Anrechnung nur in geringem Umfang die Einkommen verbessern. Letztlich bleibt zumindest ein erheblicher Teil der Aufstocker als individualisierte Erscheinung eines unzureichenden Haushaltseinkommens, das der Ergänzung der Grundsicherung bedarf, weil staatliche Leistungen wie Kindergeld und Kinderzuschlag zusammen mit Wohngeld das sozioökonomische Existenzminimum nicht ausreichend absichern.

Abstract

For some, the widespread combination of earned income and means-tested benefits shows the inappropriateness of labour market policy through low wages. For others, it merely reflects low productivity of the employees in question. The working-poor phenomenon, defined as working people needing means-tested benefits to meet family poverty lines, is not an aftereffect of the Hartz reforms, but already existed at comparable levels before that. However, the problematic situation of poor working households came into public focus only after the transition into the new basic income support system. We seek to explain why the combination of income and benefits is so prevalent. Very low hourly wages, a low number of working hours per week and underemployment are the main reasons for insufficient household income and the resulting need for income support. The introduction of a minimum wage can increase gross wages for many of the working poor and set a signal of respect for low wage workers. But increases in the net income of poor working households will be rather marginal due to transfer reduction rates. The working-poor-phenomenon will largely persist as an individual aspect of household-incomes below poverty levels, because the social benefits in the field of child allowance and housing allowance do not sufficiently cover basic needs.

Zugehörige Themen

Der Beitrag wurde zu Ihrerm Merkzettel hinzugefügt.

Merkzettel öffnen