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WSI-Mitteilungen

Kolbe, Christian : Irritationen im Zwangskontext - Interaktionen im SGB II

Ausgabe 03/2012

Zusammenfassung

WSI-Mitteilungen 3/2012, Seiten 198-205

Die sogenannten Hartz-Reformen in der Arbeits- und Beschäftigungsförderung gelten als paradigmatisch für die Veränderungen im aktivierenden Sozialstaat. Um „Kunden“ angemessen „zu fördern und zu fordern“ wird dabei der persönlichen Hilfe bzw. Beratung Vorrang vor der materiellen Versorgung eingeräumt. Der Beitrag beschäftigt sich mit dem Paradox, wie sich angesichts dieses Perspektivwechsels die Interaktionen in der konkreten Fallbearbeitung im Jobcenter verändern. Am Beispiel ausgewählter Gesprächsanalysen werden Muster der Interaktion und Nutzungsstrategien der Beteiligten rekonstruiert, in denen zwar deutlich die Handschrift der programmatischen Regeln zu erkennen ist, dennoch lassen sich unterhalb davon Interaktionsmuster finden, die anderen Logiken und Pfaden folgen. Aus den Analysen wird die Verengung der Korridore für die Fachkräfte deutlich, die ihren Arbeitsalltag entlang von Standardinstrumenten und begrenzten Ressourcen bewältigen müssen. Dies mündet bei der Förderung in einem vagen „Schattenspiel“ zwischen den Akteuren, während die Forderungen mithilfe der vorhandenen Instrumente umso verbindlicher formuliert werden. Angesichts dieser Engführung bestehen lediglich defensive Möglichkeiten der Nutzung für die Beratenen, die die Situationen u. a. durch Konflikt vermeidende Anpassungsstrategien bearbeiten.

Abstract

The so-called German Hartz reforms in active labour market policies implemented paradigmatic changes in the "activating welfare state". Due to an approach with enabling and demanding elements (“Fördern und Fordern”), personal advice on labour market integration is given precedence over unemployment benefits. The author deals with the paradox of how this change influences the interactions between front line staff and jobseekers at the jobcentres. Based on an analysis of selected personal adviser interviews between front line staff and jobseekers, the patterns of interaction and strategies of those involved are reconstructed and the statutory rules are illustrated. Underneath these statutory rules, however, the interactions follow informal rules that open different logics and paths. The analysis shows that the options for street-level workers are limited in their daily work routine due to the standardised tools and the limited resources. Concerning this ambiguous situation caseworkers are not able to give out a clear assisting strategy, whereas the demands given to the jobseeker are more bindingly formulated. Due to the limited discretion of the front line staff, the jobseekers have only defensive opportunities within the interview process. Therefore, jobseekers employ strategies of avoidance and concession in these situations.

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