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WSI GenderDatenPortal: Zeit: Lage der Arbeitszeit von abhängig Beschäftigten 1996–2020

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Frauen und Männer sind im Jahr 2020 unterschiedlich häufig von besonderen Arbeitszeitlagen betroffen. Im Einzelnen:

  • Im Vergleich zu Frauen leisten Männer etwa doppelt so häufig regelmäßige Nachtarbeit: Im Jahr 2020 arbeiten 6 Prozent der abhängig beschäftigten Männer, aber nur 3 Prozent der Frauen an mindestens der Hälfte der Arbeitstage innerhalb der letzten 4 Wochen nachts zwischen 23 und 6 Uhr. Auch Abendarbeit zwischen 18 und 23 Uhr wird 2020 häufiger von Männern geleistet: 17 Prozent der abhängig beschäftigten Männer, aber nur 14 Prozent der Frauen haben innerhalb der letzten 4 Wochen an mindestens der Hälfte der Arbeitstage abends gearbeitet.
  • Arbeit an Samstagen ist unter abhängig beschäftigten Frauen in Deutschland stärker verbreitet als unter Männern: Im Jahr 2020 arbeitet fast jede fünfte Frau, aber nur knapp jeder sechste Mann an mindestens der Hälfte der Samstage (in den vorhergehenden 4 Wochen). Deutlich seltener kommt es im Vergleich dazu zur Arbeit an Sonntagen. Fast jede zehnte Frau sowie knapp jeder zwölfte Mann arbeitet 2020 an mindestens der Hälfte dieser durch das Arbeitszeitgesetz besonders geschützten Tage.
  • Wechselschicht wird in Deutschland häufiger von abhängig beschäftigten Männern als von Frauen geleistet: In Wechselschicht arbeiten im Jahr 2020 fast 16 Prozent der Männer, aber nur 12 Prozent der Frauen (an mindestens der Hälfte der Arbeitstage in den vorhergehenden 4 Wochen).

Im Hinblick auf die Veränderungen innerhalb des Beobachtungszeitraums der Jahre 1996 bis 2020 zeigen sich bei beiden Geschlechtern jedoch ähnliche Entwicklungen:

  • Abend- und Nachtarbeit: Im Beobachtungszeitraum ist der Anteil der Frauen und Männer, die regelmäßig abends arbeiten, insgesamt leicht gesunken. Im Vergleich dazu ist für Nachtarbeit eine deutlich größere Abnahme sowohl für Frauen als auch für Männer festzustellen: So sank der Anteil der regelmäßig nachts arbeitenden Männer zwischen 1996 und 2020 um 3 Prozent, während er bei den Frauen nur um einen Prozentpunkt sank. Dementsprechend hat sich der geschlechterbezogene Abstand bei der regelmäßigen Nachtarbeit leicht verringert (von 5 auf 3 Prozentpunkte). Der geschlechterbezogene Abstand bei der regelmäßigen Abendarbeit beträgt zwischen 1996 und 2020 dagegen recht konstant 3 Prozentpunkte.
  • Samstags- sowie Sonn- und Feiertagsarbeit: Die Samstagsarbeit war im Beobachtungszeitraum bei Frauen und Männern leicht rückläufig, bei Frauen sogar deutlicher als bei Männern (Frauen: um knapp 3 Prozentpunkte, Männer: um 1 Prozentpunkt). Dementsprechend hat sich seit 1996 auch der geschlechterbezogene Abstand bei der Samstagsarbeit etwas verkleinert (von 5 auf 3 Prozentpunkte). Die Sonntags- und Feiertagsarbeit ist bis zum Jahr 2019 für beide Geschlechter um rund 3 Prozentpunkte angestiegen. (1) Seit dem Jahr 2020 wird hierunter allerdings nur noch die Sonntagsarbeit erfasst (ohne Feiertagsarbeit), sodass die Vergleichbarkeit mit den früheren Jahren nicht mehr gegeben ist. Der geschlechterbezogene Unterschied liegt zwischen 2004 und 2019 (aber auch für 2020) recht beständig bei rund einem Prozentpunkt.
  • Wechselschicht: Das Arbeiten in Wechselschicht hat im Beobachtungszeitraum für Frauen wie Männer leicht zugenommen, für Frauen sogar geringfügig stärker als für Männer (Frauen: Anstieg um 4 Prozentpunkte, Männer: Anstieg um 2 Prozentpunkte). Der geschlechterbezogene Abstand zwischen Frauen und Männern hat sich damit im Beobachtungszeitraum nur geringfügig verkleinert.

Die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie im Jahr 2020 auf das Arbeiten zu unüblichen Zeiten – jenseits der normalen Arbeitszeitlage – sind ambivalent zu betrachten: Einerseits ist davon auszugehen, dass Kurzarbeit und verkürzte Öffnungszeiten teilweise zu einer Abnahme des Arbeitens zu unüblichen Zeiten geführt haben. Andererseits ermöglichte die COVID-19-Arbeitszeitverordnung in Ausnahmen (d.h. in systemrelevanten Tätigkeiten) aber auch eine Ausweitung der Tageshöchstarbeitszeit und bot erweiterte Möglichkeiten zur Arbeit an Sonn- beziehungsweise Feiertagen, was zu einer Ausdehnung von unüblichen Arbeitszeitlagen beigetragen hat. (2) Zusätzlich kam es auch für weitere Gruppen von Arbeitnehmer*innen zu Verlagerungen der täglichen Arbeitszeitlage: So haben insbesondere Mütter und andere Beschäftigte, die coronabedingt im Homeoffice gearbeitet haben, ihre Arbeitszeiten u.a. wegen der Schul- und Kitaschließungen verstärkt gezielt auf den Abend/die Nacht oder das Wochenende verschoben. (3)

Wissenschaftliche Studien belegen, dass alle hier dargestellten besonderen Arbeitszeitlagen ein besonderes gesundheitliches und/oder soziales Belastungspotential für die betroffenen Beschäftigen mit sich bringen.

  • Abend- und Nachtarbeit wirkt sich ungünstig auf das gesundheitliche Wohlbefinden von Beschäftigten aus. (4) Langfristig kann Nachtarbeit – wegen des Schlafdefizits und der geringeren Erholsamkeit des Schlafs – sogar zu einem Burnout (chronische Erschöpfung) führen. Nachtarbeit gilt als eine mögliche Ursache von depressiven Stimmungslagen oder Angstzuständen und erhöht das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. (5) Eine wichtige Rolle spielen auch Konflikte zwischen Beruf und Familie, die aus nächtlichen Arbeitszeiten resultieren können. (6) Solche Konflikte belasten die Gesundheit der Betroffenen zusätzlich. Insgesamt bewerten Beschäftigte, die nachts arbeiten, ihre eigene Arbeitszufriedenheit und ihre Work-Life-Balance schlechter als andere Beschäftigte. (7) Eine gesundheits- und sozialverträgliche Gestaltung von Nacht- und Abendarbeit kann allerdings dazu beitragen, solche Risiken zu verringern. (8)
  • Wochenendarbeit hat besonders ungünstige Effekte auf die Zufriedenheit von Erwerbstätigen, da sich aus ihr Nachteile für Freizeitgestaltung und Familienleben ergeben. Die Arbeitszufriedenheit sinkt insbesondere dann, wenn sich die Arbeitszeit nicht nur auf den Samstag, sondern auch auf den Sonntag erstreckt. (9)
  • Wechselschicht: Studien belegen, dass sich regelmäßige Schichtarbeit negativ auf das gesundheitliche Wohlbefinden auswirkt. (10) Unter den Beschäftigten, die schon seit zwei Jahrzehnten im Wechselschichtdienst arbeiten, leiden drei Viertel an Müdigkeit und Rückenschmerzen, zwei Drittel berichten von Schlafstörungen und körperlicher Erschöpfung. (11) Auch der soziale Rhythmus der Beschäftigten wird durch Schichtarbeit beeinflusst: Aufeinanderfolgende Spätschichten oder zu wenig freie Wochenenden beeinträchtigen das Familien- und Sozialleben sowie die ehrenamtliche Betätigung. (12) Negative Folgen von Schichtarbeit können jedoch durch positive arbeitsorganisatorische Maßnahmen teilweise abgemildert werden, Eckpunkte dafür sind: kurz rotierende Schichtmodelle mit höchstens drei gleichen Schichten in Folge, eine sog. „Vorwärtsrotation“ (d.h. Schichtabfolge, bei der von Früh-, zu Spät-, zu Nachtschicht gewechselt wird), das Vermeiden von Dauernachtarbeit, eine hohe Planbarkeit der Arbeitszeiten innerhalb des Schichtmodells sowie Gestaltungsspielräume für die Beschäftigten. (13)

 

Bearbeitung: Dietmar Hobler, Svenja Pfahl, Eugen Unrau


Literatur

Arlinghaus, Anna / Lott, Yvonne (2018): Schichtarbeit gesund und sozialverträglich gestalten. Hans-Böckler-Stiftung, Forschungsförderung Report Nr. 3, Düsseldorf, letzter Zugriff 28.10.2021.

Backhaus, Nils / Robelski, Swantje / Sommer, Sabine / Steidelmüller, Corinna/ Tisch, Anita (2021): Die COVID-19-Arbeitszeitverordnung. Arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse und empirische Ergebnisse aus betrieblicher Sicht. In: Arbeitsmedizin, Sozialmedizin, Umweltmedizin: ASU, Zeitschrift für medizinische Prävention, Volume 56, Nr. 9 2021, letzter Zugriff_ 28.10.2021

BAuA (2016): Arbeitszeitreport Deutschland 2016, Dortmund/Berlin/Dresden, letzter Zugriff: 28.10.2021.

Frodermann, Corinna/ Grunau, Philipp / Wanger, Susanne / Wolter, Stefanie (2021): „Nine to five“ war gestern: In der Pandemie haben viele Beschäftigte ihre Arbeitszeiten verlagert, In: IAB-Forum 20. Juli 2021, letzter Zugriff: 28.10.2021

Hans Böckler Stiftung (2017a): Schichtarbeiter besser schützen. In: Böckler Impuls 15/2017, S. 2, letzter Zugriff: 28.10.2021.

Hans Böckler Stiftung (2017b): Schicht schlaucht. In: Böckler Impuls 09/2017, S. 6, letzter Zugriff: 28.10.2021.

Metzing, Maria / Richter, David (2015): Macht Wochenendarbeit unzufrieden? In: DIW Wochenbericht Nr. 50/2015, S. 1183-1188, letzter Zugriff: 28.10.2021.

Spilker, Niels (2018): Schichtarbeit: Gegen den biologischen Rhythmus. In: DGB Beamtenmagazin 01/2018, letzter Zugriff: 28.10.2021.

Statistisches Bundesamt (2021): Abend- und Nachtarbeit. In: STATmagazin, letzter Zugriff 28.10.2021

Statistisches Bundesamt (2021): Wochenendarbeit. In: STATmagazin, letzter Zugriff 28.10.2021

Statistisches Bundesamt (2021): Bevölkerung und Erwerbstätigkeit. Erwerbsbeteiligung der Bevölkerung. Ergebnisse des Mikrozensus zum Arbeitsmarkt 2020. Fachserie 1 Reihe 4.1. Wiesbaden.

Statistisches Bundesamt (2019): Bevölkerung und Erwerbstätigkeit. Erwerbsbeteiligung der Bevölkerung. Ergebnisse des Mikrozensus zum Arbeitsmarkt 2018, Fachserie 1 Reihe 4.1. Wiesbaden, letzter Zugriff: 28.10.2021

Statistisches Bundesamt (2017): Bevölkerung und Erwerbstätigkeit. Erwerbsbeteiligung der Bevölkerung. Ergebnisse des Mikrozensus zum Arbeitsmarkt 2016, Fachserie 1 Reihe 4.1. Wiesbaden, letzter Zugriff: 28.10.2021

Statistisches Bundesamt (2007): Bevölkerung und Erwerbstätigkeit 2005. Beruf, Ausbildung und Arbeitsbedingungen der Erwerbstätigen. Band 1: Allgemeine und methodische Erläuterungen. Im Mikrozensus verwendete erwerbsstatistische Konzepte und Definitionen. Fachserie 1 Reihe 4.1.2. Wiesbaden, letzter Zugriff: 28.10.2021


(1) Die kontinuierliche Zunahme der Arbeit an Sonn- und Feiertagen dürfte vor allem mit dem gestiegenen Bedarf im Bereich der Altenpflege und –versorgung in Zusammenhang stehen.

(2) Backhaus, Nils / Robelski, Swantje / Sommer, Sabine / Steidelmüller, Corinna/ Tisch, Anita (2021): Die COVID-19-Arbeitszeitverordnung. Arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse und empirische Ergebnisse aus betrieblicher Sicht. In: Arbeitsmedizin, Sozialmedizin, Umweltmedizin: ASU, Zeitschrift für medizinische Prävention, Volume 56, Nr. 9 2021. S. 557-566.

(3) Vgl. Frodermann, Corinna/ Grunau, Philipp / Wanger, Susanne / Wolter, Stefanie (2021): „Nine to five“ war gestern: In der Pandemie haben viele Beschäftigte ihre Arbeitszeiten verlagert, In: IAB-Forum 20. Juli 2021, https://www.iab-forum.de/nine-to-five-war-gestern-in-der-pandemie-haben-viele-beschaeftigte-ihre-arbeitszeiten-verlagert/, Abrufdatum: 28. Oktober 2021

(4) „Wer abends, nachts, mit Unterbrechung, auf Abruf oder in wechselnden Schichten arbeiten muss, schätzt seine eigene Gesundheit demnach messbar schlechter ein.“ Hans Böckler Stiftung (2017a): Schicht schlaucht. In: Böckler Impuls 09/2017, S. 6.

(5) Vgl. Spilker, Niels (2018): Schichtarbeit: Gegen den biologischen Rhythmus. Wie wechselnde Arbeitszeiten auch im öffentlichen Dienst krank machen. In: DGB Beamtenmagazin 01/2018.

(6) „Ein Feierabend, der auf den Morgen fällt oder ständig wechselt, stört Familienroutinen. Selbst wenn sich Schichtarbeiter Zeit für die Familie nehmen, dürfte ihre Müdigkeit sich als hinderlich erweisen.“ Hans-Böckler-Stiftung (2017a): Schicht schlaucht. In: Böckler Impuls 09/2017, S. 6.

(7) Vgl. BAuA (2016): Arbeitszeitreport Deutschland 2016, Dortmund/Berlin/Dresden.

(8) Vgl. Arlinghaus, Anna / Lott, Yvonne (2018): Schichtarbeit gesund und sozialverträglich gestalten. Hans-Böckler-Stiftung, Forschungsförderung Report Nr. 3, Düsseldorf.

(9) In einer Untersuchung auf Basis repräsentativer Längsschnittdaten (des Sozio-ökonomischen Panels) konnte belegt werden, dass Sonntagsarbeit in einem direkten negativen Zusammenhang mit der Arbeitszufriedenheit steht, wenn sich die Arbeitstage von Beschäftigten auch auf Sonntage ausweiten. Vgl. Metzing, Maria / Richter, David (2015): Macht Wochenendarbeit unzufrieden? In: DIW Wochenbericht Nr. 50/2015, S. 1187.

(10) Vgl. BAuA (2016): Arbeitszeitreport Deutschland 2016, Dortmund/Berlin/Dresden.

(11) Vgl. Hans-Böckler-Stiftung (2017b): Schichtarbeiter besser schützen. In: Böckler Impuls 15/2017, S. 2.

(12) Vgl. Arlinghaus, Anna / Lott, Yvonne (2018): Schichtarbeit gesund und sozialverträglich gestalten. Hans-Böckler-Stiftung, Forschungsförderung Report Nr. 3, Düsseldorf, S. 5.

(13) a.a.O., S. 15.

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