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WSI GenderDatenPortal: Erwerbsarbeit: Horizontale Segregation des Arbeitsmarktes 2022

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Sozialversicherungspflichtig beschäftigte Frauen und Männer verteilen sich in Deutschland im Jahr 2022 nicht gleichmäßig auf die verschiedenen Berufssegmente. Neben Berufssegmenten, in denen beide Geschlechter annähernd gleich verteilt sind, lassen sich frauendominiert besetzte (mit mehr als 70 Prozent Frauenanteil) und männerdominiert besetzte Berufssegmente (mit weniger als 30 Prozent Frauenanteil) ausmachen (vgl. Grafik 1). Die starke Ungleichverteilung von Frauen und Männer auf unterschiedliche Berufe (hier: Berufssegmente) wird als horizontale Segregation des Arbeitsmarktes bezeichnet (vgl. Glossar):

  • Medizinische und nicht-medizinische Gesundheitsberufe sind das Berufssegment mit dem höchsten Frauenanteil im Jahr 2022: Hier stellen Frauen mit knapp 81 Prozent den größten Anteil an den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Ebenfalls zu den ganz überwiegend mit Frauen besetzten Berufssegmenten zählen soziale/kulturelle Dienstleistungsberufe und Reinigungsberufe (jeweils 74 Prozent).
  • Demgegenüber stehen sieben Berufssegmente, die ganz überwiegend mit Männern besetzt sind. Knapp dazu gehören die Land-, Forst- und Gartenberufe mit einem Frauenanteil von 29 Prozent sowie die Sicherheitsberufe mit 27 Prozent. In fünf weiteren Berufssegmenten finden sich anteilig noch weniger Frauen: In den IT- bzw. naturwissenschaftlichen Dienstleistungen ist jede*r vierte sozialversicherungspflichtige Beschäftigte eine Frau, in den Verkehrs- und Logistikberufen jede*r fünfte. In den Fertigungsberufen ist sogar nur jede*r knapp sechste Beschäftigte weiblich (18 Prozent), den Fertigungstechnischen Berufen jede*r siebte (14 Prozent) und in den Bau- und Ausbauberufen jede*r vierzehnte (7 Prozent).
  • Zu den geschlechtsunspezifisch besetzten Berufssegmenten, mit relativer Gleichverteilung von Frauen und Männern, gehören Lebensmittel- und Gastgewerbeberufe (52 Prozent), Handelsberufe (60 Prozent), Berufe in Unternehmensführung/ -organisation (63 Prozent) sowie unternehmensbezogene Dienstleistungsberufe (65 Prozent). 

Insgesamt stellen Frauen nur in wenigen Berufssegmenten den ganz überwiegenden Anteil an Beschäftigten: Nur drei von insgesamt 14 Berufssegmenten sind deutlich frauendominiert besetzt. An dieser Situation hat sich auch im Zeitpunktevergleich von 2013 und 2022 wenig geändert (vgl. Grafik 2):

  • In der Hälfte der 14 Berufssegmente arbeiten im Jahr 2022 anteilig mehr Frauen als im Jahr 2013. Das gilt vor allem für fünf Berufssegmente, die 2013 und weiterhin auch in 2022 ganz überwiegend mit Männern besetzt sind. Der größte Anstieg des Frauenanteils ist darunter für die Fertigungsberufe, die fertigungstechnischen Berufe sowie die Bau-/Ausbauberufe zu beobachten (jeweils +1,4 Prozentpunkte). Ein leichter Anstieg des Frauenanteils zeigt sich zudem für die unternehmensbezogenen Dienstleistungsberufe sowie die Reinigungsberufe.
  • Zurückgegangen ist der Frauenanteil hingegen in sieben anderen Berufssegmenten: vor allem in geschlechterunspezifisch und ganz überwiegend mit Frauen besetzten Berufssegmenten. Am deutlichsten hat der Frauenanteil in sozialen/kulturellen Dienstleistungsberufen (-3,6 Prozentpunkte) sowie in Lebensmittel- und Gastgewerbeberufen (-2,8 Prozentpunkte) abgenommen.

Im Großen und Ganzen hat sich damit an der deutlich geschlechterspezifisch geprägten Verteilung von Frauen und Männern auf die 14 Berufssegmente innerhalb der neun Jahre zwischen 2013 und 2022 in Deutschland nur minimal etwas verändert.

Der regionale Vergleich verdeutlicht, dass sich die Beschäftigten in Westdeutschland annähernd gleich auf die Berufssegmente verteilen wie dies für Beschäftigte in Gesamtdeutschland gilt (vgl. Grafik 3). Für Ostdeutschland zeigen sich hingegen einige Abweichungen:

  • In Ostdeutschland fällt der Frauenanteil in rund zwei Dritteln aller Berufssegmente etwas höher aus als in Westdeutschland. Dies gilt vor allem für die geschlechterunspezifisch besetzten Berufssegmente sowie für einige der ganz überwiegend mit Männern besetzten Segmente. Die deutlichsten Einzelunterschiede ergeben sich für die unternehmensbezogenen Dienstleistungsberufe sowie die Handelsberufe (Frauenanteil in Ostdeutschland um +5 bzw. +6 Prozentpunkte höher). Das Segment der Land-, Garten- und Forstberufe erweist sich in Ostdeutschland – anders als in Westdeutschland – noch als geschlechterunspezifisch besetzt (Frauenanteil in Ostdeutschland um +4 Prozentpunkte höher).
  • Im Gegenzug fällt der Frauenanteil in Ostdeutschland in den Reinigungsberufen um 6 Prozentpunkte geringer aus als in Westdeutschland, so dass dieses Segment in Ostdeutschland bereits zu den geschlechterunspezifisch besetzten Berufssegmenten gehört.

Alles in allem erweist sich die horizontale Segregation in Ostdeutschland damit insgesamt als etwas weniger stark ausgeprägt als in Westdeutschland.

Innerhalb der einzelnen Berufssegmente verteilen sich Frauen zudem ungleich auf Tätigkeiten mit unterschiedlich hohem Anforderungsniveau (vgl. Glossar). In einem Großteil der Berufssegmente sind Frauen häufiger in Helferinnenpositionen und/oder als Fachkräfte tätig und seltener in einer Spezialistinnen- oder Expertinnenposition (vgl. Grafik 4):

  • Dies gilt zum einen für die geschlechterunspezifisch besetzten Berufssegmente (z.B. Handelsberufe), zum anderen aber selbst für die drei Berufssegmente mit einem Frauenanteil größer 70 Prozent. In den sozialen und kulturellen Dienstleistungsberufen sind etwa deutlich über 80 Prozent der Helfer*innen und Fachkräfte weiblich – aber nur 65 Prozent der Spezialist*innen bzw. Expert*innen.
  • Ein anderes Bild hingegen in den ganz überwiegend männerdominiert besetzten Berufssegmenten: In fast der Hälfte dieser Segmente stellen Frauen einen mindestens genauso hohen Anteil der Spezialist*innen/Expert*innen wie an Helfer*innen oder Fachkräften. In den Fertigungsberufen ist beispielsweise nur jede 4. Stelle als Helfer*in bzw. jede 8. Stelle als Fachkraft mit einer Frau besetzt, aber immerhin jede 3. Stelle als Spezialist*in/Expert*in (dies gilt ähnlich in den Bau-/Ausbauberufen sowie den Land-, Forst-/Gartenbauberufen).

Zwar ist in den frauendominiert und geschlechterunspezifisch besetzten Berufssegmenten insgesamt ein höherer Anteil der Beschäftigten weiblich. Dies schlägt sich aber nicht in einem adäquaten Frauenanteil auf Stellen mit den höchsten Anforderungsniveaus nieder (Spezialist*innen/Expert*innen). Anders die Situation in den männerdominiert besetzten Berufssegmenten: bei insgesamt geringerem Frauenanteil erreichen Frauen hier in mindestens der Hälfte der Segmente anteilig genauso häufig eine anspruchsvolle Stelle als Spezialistin/Expertin wie es ihnen als Fachkraft gelingt. Die horizontale Segregation verbindet sich offensichtlich – und zwar deutlich stärker in den frauendominiert und geschlechterunspezifisch besetzten Berufssegmenten – mit der vertikalen Segregation. (1)

Hintergrund: Die ungleiche Verteilung von Frauen und Männer auf die verschiedenen Berufssegmente zeichnet sich bereits in der beruflichen Ausbildung ab. Nur sehr wenige Frauen entscheiden sich für eine duale Ausbildung in den Bereichen Landwirtschaft oder Handwerk, dafür ist der überwiegende Teil der Auszubildenden in den freien Berufen (91 Prozent) sowie im Bereich Hauswirtschaft (85 Prozent) weiblich. (2) Gründe für die starke Ungleichverteilung von Frauen und Männer auf die Berufssegmente sind sowohl bestehende Geschlechterstereotypen in Bezug auf typische „Frauen- und Männerberufe“ als auch die jeweiligen Arbeitsbedingungen – hinzu kommen Hürden, die speziell für Frauen beim Zugang zu männerdominiert besetzten Berufen bestehen. (3)

Weitere Informationen (Definitionen wichtiger Begriffe und methodische Anmerkungen zur Datengrundlage) sind in den Pdf-Dateien enthalten, die zum Download bereitstehen.

Bearbeitung: Svenja Pfahl, Maike Wittmann

 

Literatur

 

Bundesagentur für Arbeit (2022): Qualitätsbericht. Statistik der sozialversicherungspflichtigen und geringfügigen Beschäftigung. Version 7.12, Nürnberg, letzter Zugriff: 21.03.2023.

Hans-Böckler-Stiftung (2015): Zweigeteilte Arbeitswelt, In: Böckler Impuls Nr. 20/2015, letzter Zugriff: 04.04.2023.

Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) (2018a): Berufe im Spiegel der Statistik – Erläuterungen, Letzter Zugriff: 04.04.2023.

Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) (2018b): Berufe im Spiegel der Statistik, Letzter Zugriff: 04.04.2023.

Kroll, Stephan (2021): Allein unter Männern, allein unter Frauen. Geschlechtsspezifische Entwicklungen in dualen Männer- und Frauenberufen und Unterschiede im Ausbildungsverlauf, In: Berufsbildung in Wissenschaft und Praxis. Zeitschrift des Bundesinstituts für Berufsbildung Nr. 4, 2021, letzter Zugriff: 04.04.2023.

Pfahl, Svenja/Unrau, Eugen (2023): Vertikale Segregation des Arbeitsmarktes 2021. In: WSI GenderDatenPortal.

Pfahl, Svenja/Unrau, Eugen/Wittmann, Maike (2023): Frauen- und Männeranteile an dualer Ausbildung nach Berufsbereichen 2021. In: WSI GenderDatenPortal.

Statistik der Bundesagentur für Arbeit (2015): Methodenbericht. Berufssektoren und Berufssegmente auf Grundlage der KldB 2010, Nürnberg, letzter Zugriff: 21.03.2023.

Statistik der Bundesagentur für Arbeit (2021): Klassifikation der Berufe 2010 – überarbeitete Fassung 2020. Band 1: Systematischer und alphabetischer Teil mit Erläuterungen, Nürnberg, letzter Zugriff: 21.03.2023.


(1) Vgl. Pfahl, Svenja/Unrau, Eugen (2023): Vertikale Segregation des Arbeitsmarktes 2021. In: WSI GenderDatenPortal.

(2) Vgl. Pfahl, Svenja/Unrau, Eugen/Wittmann, Maike (2023): Frauen- und Männeranteile an dualer Ausbildung nach Berufsbereichen 2021. In: WSI GenderDatenPortal.

(3) Vgl. Kroll, Stephan (2021): Allein unter Männern, allein unter Frauen, In: Berufsbildung in Wissenschaft und Praxis, S. 18f., sowie Hans-Böckler-Stiftung (2015): Zweigeteilte Arbeitswelt, In: Böckler Impuls Nr. 20/2015, S. 3.

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