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WSI GenderDatenPortal: Erwerbsarbeit: Selbstständige Frauen und Männer, mit und ohne Beschäftigte, 1991-2020

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Frauen sind in Deutschland im Jahr 2020 seltener selbstständig als Männer. Dies gilt sowohl für Frauen als Solo-Selbstständige  als auch für Selbstständige mit Beschäftigten.

Die Anzahl der Selbstständigen in Deutschland ist innerhalb des Beobachtungszeitraums 1991 bis 2020 von 2,9 Millionen auf 3,1 Millionen angestiegen (vgl. Grafik 1). Der Anstieg im Gesamtzeitraum ist vor allem auf die Entwicklung bis Mitte der 2010er Jahre zurückzuführen. Bei den Frauen hat sich die Anzahl der Selbstständigen zwischen 1991 und 2017 fast verdoppelt (von 743.000 auf 1,25 Millionen), seitdem sinken die Zahlen jedoch wieder. Im Jahr 2020 sind noch 1 Million Frauen in Deutschland selbstständig. Bei den Männern stieg die Zahl der Selbstständigen zwischen 1991 und 2011 von 2,1 Millionen auf 2,7 Millionen an. In den darauffolgenden Jahren fällt der Rückgang der Selbstständigen unter Männern jedoch noch stärker aus als unter Frauen. Im Jahr 2020 sind noch etwas mehr als 2 Millionen Männer in Deutschland als Selbstständige tätig.

Besonders während der Corona-Krise war die Selbstständigkeit in Deutschland von einem starken Rückgang betroffen: Im Jahr 2020 gab es 400.000 weniger Selbstständige als noch im Vorjahr (vgl. Grafik 1). Im Vergleich zu 2019 wechselte im Jahr 2020 ein doppelt so großer Anteil an vormals Selbstständigen in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. (1)

Für die Einschätzung der Selbstständigkeit ist es wichtig, dass strukturell unterschieden wird zwischen der Solo-Selbstständigkeit einerseits (also den Selbständigen ohne weitere Beschäftigte), und der Selbstständigkeit mit Beschäftigten anderseits. Die Zunahme der Selbstständigkeit insgesamt ist stark mit dem Anstieg der Solo-Selbstständigkeit im Gesamtbeobachtungszeitraum verbunden. (2) Sowohl bei Frauen als auch bei Männern verdoppelte sich die Anzahl der Solo-Selbstständigen bis Mitte der 2000er Jahre (vgl. Grafik 1):

  • Die Zahl der solo-selbstständigen Frauen übertrifft über den gesamten Beobachtungszeitraum hinweg die Zahl der Frauen, die als Selbstständige auch Mitarbeiter*innen beschäftigten. Bei den selbstständigen Männern waren bis 2003 hingegen Selbstständige mit Beschäftigten in der Mehrheit. Nur in den Jahren 2004 bis 2013 lassen sich für Männer mehr Solo-Selbstständige als Selbstständige mit Beschäftigten verzeichnen.
  • Unter den Frauen hat sich die Zahl der Selbstständigen mit Beschäftigten über den gesamten Beobachtungszeitraum hinweg nur leicht erhöht. Demgegenüber war sie bei den Männern insgesamt sogar rückläufig – und sank im Jahr 2020 nochmals stark ab.

Der Frauenanteil an allen Selbstständigen ist zwischen 1991 und 2020 insgesamt um rund 10 Prozentpunkte angestiegen, und beträgt nun 34 Prozent (vgl. Grafik 2). Insbesondere Solo-Selbstständigkeit hat bei den Frauen stark an Bedeutung gewonnen: Auch hier stieg der Anteil der Frauen im Beobachtungszeitraum um mehr als 10 Prozentpunkte – von 31 Prozent (1991) auf 42 Prozent (2020). Der Frauenanteil unter den Selbstständigen mit Beschäftigten stieg im Vergleich dazu langsamer an und zudem von einem niedrigeren Ausgangsniveau aus (1991: 21 Prozent, 2020: 25 Prozent).

Selbstständigkeit muss für Frauen und Männer allerdings unterschiedlich bewertet werden. Denn aus der Gleichstellungsperspektive fallen bedeutende Ungleichheiten zwischen selbstständigen Frauen und Männern auf:

  • Die Einkommen selbstständiger Frauen liegen durchschnittlich etwa 44 Prozent unter den Einkommen selbstständiger Männer. (3) Insbesondere bei Solo-Selbstständigkeit sind Frauen häufiger als Männer dem Niedrigeinkommenssektor zuzuordnen. (4)
  • Knapp die Hälfte der solo-selbstständigen Frauen übt die Selbstständigkeit im Zu- oder Nebenerwerb aus, während dies nur für ein Fünftel der solo-selbstständigen Männer gilt. (5)
  • Gut die Hälfte der Frauen, die im Zuerwerb selbstständig tätig sind, hat Kinder. Unter selbstständig tätigen Männern im Zuerwerb gilt dies jedoch nur für ein Viertel. (6)
  • Frauen machen sich vermehrt im Dienstleistungsbereich, im Gesundheits- und Sozialwesen sowie im Bildungssektor selbstständig, Männer hingegen häufiger im Baugewerbe, in Informations- und Kommunikationsbereichen oder in den Bereichen Verkehr und Lagerei. (7)
  • Bei den Bildungsabschlüssen hingegen zeigt sich, dass selbstständige Frauen häufiger über höhere Bildungsabschlüsse (vor allem akademische Abschlüsse) verfügen als selbstständige Männer. (8)

Grundsätzlich ist an Selbstständigkeit als problematisch zu bewerten, dass Frauen und Männer, die ausschließlich selbstständig tätig sind, nicht verpflichtend in die gesetzliche Altersvorsorge eingebunden sind. (9) Für Frauen ergeben sich aus den genannten strukturellen Unterschieden besondere Einkommensunsicherheiten. Hinzu kommen gesetzliche und sozialversicherungsrechtliche Nachteile für selbstständig tätige Frauen rund um die Schwangerschaft (Mutterschutzgesetz, Mutterschutzleistungen). (10)

Auch die Corona-Krise wirkt sich auf selbstständige Frauen ungünstiger aus als auf Männer. Selbstständig tätige Frauen haben während der Pandemie deutlich häufiger Einkommensverluste erlitten als selbstständige Männer (63 Prozent zu 47 Prozent). (11) Der Anteil derjenigen selbstständigen Frauen mit einem Individualnettoeinkommen von unter 1.500 Euro im Monat stieg durch die Pandemie von knapp 20 Prozent auf 26 Prozent – bei den selbstständigen Männern jedoch nur von 11 Prozent auf 14 Prozent. (12) Eine Erklärung dafür ist, dass die Bereiche, in denen sich Frauen überdurchschnittlich oft selbstständig machen, häufiger von pandemiebedingten Schließungen oder Kontaktbeschränkungen betroffen waren (z.B. personenbezogene Dienstleistungen und Handel). (13) Einkommensausfälle und unsichere Zukunftsperspektiven können auch Einfluss auf die mentale Gesundheit haben. Die Häufigkeit von Depressions- und Angststörungssymptomen unter selbstständigen Frauen mit Einkommenseinbußen ist von 2019 bis 2020 deutlich gestiegen, wobei ein ähnlicher Anstieg bei den Männern nicht beobachtet wurde. (14)

 

Bearbeitung: Dietmar Hobler, Svenja Pfahl, Maike Wittmann

Literatur

Biermann, Ingrid (2017): Mutterschutz für selbstständige Frauen. In: Gather, Claudia / Schürmann, Lena / Trenkmann, Jeannette (Hg.): (Solo)-Selbstständigkeit als gleichstellungspolitische Herausforderung. Expertise im Rahmen des Zweiten Gleichstellungsberichts der Bundesregierung, S. 88-92, letzter Zugriff:19.10.2021.

Bliemeister, Patricia (2017): Zum Stand beruflicher Selbstständigkeit aus Gleichstellungsperspektive. In: Gather, Claudia / Schürmann, Lena / Trenkmann, Jeannette (Hg.): (Solo)-Selbstständigkeit als gleichstellungspolitische Herausforderung. Expertise im Rahmen des Zweiten Gleichstellungsberichts der Bundesregierung, S. 13-26, letzter Zugriff: 18.10.2021.

Brenke, Karl (2015): Selbstständige Beschäftigung geht zurück. In: DIW-Wochenbericht 36/2015, S. 790-796, letzter Zugriff: 18.10.2021.

Brenke, Karl (2013): Allein tätige Selbstständige: starkes Beschäftigungswachstum, oft nur geringe Einkommen. In: DIW Wochenbericht 07/2013, S. 3-16, letzter Zugriff: 18.10.2021.

Bundesweite Gründerinnenagentur (2015): Gründerinnen und Unternehmerinnen in Deutschland – Daten und Fakten IV, letzter Zugriff: 18.10.2021

Europäische Kommission (2016): EU Labor Force Survey. Explanatory notes (to be applied from 2016Q1 onwards). Luxemburg, letzter Zugriff: 18.10.2021.

Eurostat (o. D.): Arbeitskräfteerhebung der Europäischen Union (AKE): Beschreibung des Datenbestandes, letzter Zugriff: 18.10.2021.

Fachinger, Uwe (2017): Alterssicherung. In: Gather, Claudia / Schürmann, Lena / Trenkmann, Jeannette (Hg.): (Solo)-Selbstständigkeit als gleichstellungspolitische Herausforderung. Expertise im Rahmen des Zweiten Gleichstellungsberichts der Bundesregierung, S. 69-87, letzter Zugriff: 18.10.2021.

Fritsch, Michael / Kritikos, Alexander / Pijnenburg, Katharina (2013): Unternehmungsgründungen nehmen zu, wenn die Konjunktur abflaut. In: DIW-Wochenbericht 12/2013, S. 3-8, letzter Zugriff: 18.10.2021.

Gerner, Hans-Dieter / Wießner, Frank (2012): Solo-Selbstständige: Die Förderung bewährt sich, der soziale Schutz nicht immer. IAB-Kurzbericht, 23/2012, letzter Zugriff: 18.10.2021.

Koch, Andreas / Rosemann, Martin / Späth, Jochen (2011): Soloselbstständige in Deutschland. Strukturen, Entwicklungen und soziale Sicherung bei Arbeitslosigkeit., WISO-Diskurs, Februar 2011, letzter Zugriff 18.10.2021.

Kritikos, Alexander / Graeber, Daniel / Seebauer, Johannes (2021): Corona-Pandemie drängt Selbstständige vermehrt zur Geschäftsaufgabe – Frauen stärker betroffen. DIW Aktuell Nr. 69,  letzter Zugriff 29.09.2021.

Schulze Buschoff, Katrin / Emmler, Helge (2021): Selbstständige in der Corona-Krise. Ergebnisse aus der HBS-Erwerbspersonenbefragung, Wellen 1 bis 5. WSI Policy Brief Nr. 60, 9/2021, letzter Zugriff 25.10.2021.

Seebauer, Johannes / Kritikos, Alexander / Graeber, Daniel (2021): Warum vor allem weibliche Selbstständige Verliererinnen der Covid-19-Krise sind. In: DIW Wochenbericht 15/2021, S. 261-269,  letzter Zugriff 29.09.2021.

Statistisches Bundesamt (2018): Bevölkerung und Erwerbstätigkeit. Erwerbsbeteiligung der Bevölkerung. Ergebnisse des Mikrozensus zum Arbeitsmarkt 2017, Fachserie 1 Reihe 4.1, letzter Zugriff: 25.10.2021.

Statistisches Bundesamt (2012): Methodeninformation. Mikrozensus und Arbeitskräfteerhebung: Ergebnisse zur Erwerbstätigkeit ab dem Jahr 2011, letzter Zugriff: 18.10.2021.

www.wsi.de/genderdatenportal

 


(1) Vgl. Kritikos, Alexander / Graeber, Daniel / Seebauer, Johannes 2021: Corona-Pandemie drängt Selbstständige vermehrt zur Geschäftsaufgabe – Frauen stärker betroffen, S. 3.

(2) Der starke Zuwachs an Solo-Selbstständigkeit in den 1990er und 2000er Jahren ist auf mehrere Ursachen zurückzuführen: Ganz allgemein machen sich in Phasen konjunkturellen Abschwungs Arbeitskräfte – mangels besserer Erwerbsalternativen – vermehrt selbstständig (vgl. Fritsch, Michael et al. (2013), S. 7.2). Zudem wurde mit den Hartz-Reformen auch die Existenzgründung von Arbeitslosen stark gefördert (vgl. Brenke, Karl (2015), S. 791). Zusätzlich wurde die Handwerksordnung geändert, sodass neue Betriebe nun auch von Personen ohne Meisterbrief gegründet werden konnten (vgl. Koch, Andreas et al. (2011), S. 17). Die Ausweitung der Solo-Selbstständigkeit steht darüber hinaus auch in Zusammenhang mit dem Strukturwandel hin zu einer wissensbasierten Dienstleistungsgesellschaft. Durch die Entwicklung moderner Kommunikationstechnologien können Solo-Selbstständige inzwischen vielfältige Dienstleistungen anbieten (vgl. Gerner, Hans-Dieter / Wießner, Frank (2012), S. 2).

(3) Vgl. Bliemeister, Patricia (2017): Zum Stand beruflicher Selbstständigkeit aus Gleichstellungsperspektive, S. 20.

(4) Vgl. Brenke, Karl (2013): Allein tätige Selbstständige: starkes Beschäftigungswachstum, oft nur geringe Einkommen, S. 13.

(5) Vgl. Bliemeister, Patricia (2017): Zum Stand beruflicher Selbstständigkeit aus Gleichstellungsperspektive, S. 15.

(6) Vgl. a. a. O., S. 19.

(7) Vgl. Bundesweite Gründerinnenagentur (2015): Gründerinnen und Unternehmerinnen in Deutschland – Daten und Fakten IV, S. 19f.

(8) Vgl. a. a. O., S. 28.

(9) Vgl. Fachinger, Uwe (2017): Alterssicherung. Soziale Sicherung: Gleichstellung von (Solo-)Selbstständigen mit abhängig Beschäftigten, S. 70.

(10) Vgl. Biermann, Ingrid (2017): Mutterschutz für selbstständige Frauen. Soziale Sicherung: Gleichstellung von (Solo-)Selbstständigen mit abhängig Beschäftigten, S. 88.

(11) Vgl. Seebauer, Johannes / Kritikos, Alexander / Graeber, Daniel (2021): Warum vor allem weibliche Selbstständige Verliererinnen der Covid-19-Krise sind, S. 263.

(12) Vgl. Schulze Buschoff, Katrin / Emmler, Helge (2021): Selbstständige in der Corona-Krise. Ergebnisse aus der HBS-Erwerbspersonenbefragung, Wellen 1 bis 5, S. 14.

(13) Vgl. Seebauer, Johannes / Kritikos, Alexander / Graeber, Daniel (2021): Warum vor allem weibliche Selbstständige Verliererinnen der Covid-19-Krise sind, S. 265.

(14) Vgl, a. a. O., S 266.

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