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WSI GenderDatenPortal: Mitbestimmung: Frauen in Aufsichtsräten nach Anteilseigner- bzw. Arbeitnehmer*innen-Seite 2009-2021

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Der Frauenanteil in deutschen Aufsichtsräten fällt im Jahr 2021 mit 33 Prozent mehr als dreimal so hoch aus wie noch 12 Jahre zuvor (2008: 9 Prozent). (1)

Die Betrachtung „nach Köpfen“ macht deutlich: 2021 wird die Mehrheit der Aufsichtsratsmitglieder von Anteilseigner*innen ins jeweilige Gremium entsendet (Grafik 1): Dies trifft auf zwei Drittel der männlichen Aufsichtsratsmitglieder zu (741 von insgesamt 1.137), aber auch auf eine Mehrheit von 58 Prozent bei den Frauen (328 von 569).

Innerhalb des Beobachtungszeitraums zeigt sich, dass die absolute Mehrheit der weiblichen Aufsichtsratsmitglieder vor 2015 stets auf der (insgesamt kleineren) Arbeitnehmer*innen-Seite zu finden war, allerdings mit abnehmendem Vorsprung. Seit 2015 wird die absolute Mehrheit der Frauen nun über die (insgesamt doppelt so große) Seite der Anteilseigner*innen entsendet.

Zur Erläuterung: Anteilseigner*innen (d. h. Aktionär*innen) sowie Arbeitnehmer*innen entsenden in unterschiedlichem Ausmaß Frauen und Männer auf die von ihnen jeweils zu besetzenden Plätze in den Aufsichtsratsgremien. 2021 werden nur 637 aller insgesamt 1.706 Aufsichtsratspositionen in den 160 größten deutschen börsennotierten Unternehmen durch Arbeitnehmer*innen besetzt (37 Prozent), 1.069 Sitze hingegen durch Anteilseigner*innen (63 Prozent) (vgl. Tab. 1).

Der Vergleich der prozentualen Frauenanteile unter den Vertreter*innen von Anteilseigner*innen und Arbeitnehmer*innen (Grafik 2) zeigt jedoch, dass dennoch auf Seite der Arbeitnehmer*innen anteilig mehr Aufsichtsratssitze mit einer Frau besetzt werden (38 Prozent) als auf Seiten der Anteilseigner*innen (31 Prozent). Für die Gleichstellung von Frauen in Aufsichtsräten bedeutet dies: Frauen haben weiterhin bessere Chancen als Arbeitsnehmer*innen-Vertretung in ein Aufsichtsratsgremium zu gelangen.

Über den gesamten Beobachtungszeitraum hinweg liegen die Frauenanteile auf der Arbeitnehmer*innen-Bank stets deutlich über den Frauenanteilen der Anteilseigner*innen-Bank (Grafik 2):

  • Der Frauenanteil in der Arbeitnehmer*innen-Vertretung im Gremium hat sich zwischen 2009 und 2021 insgesamt verdoppelt, von 19 Prozent auf 38 Prozent. Dabei hat der Frauenanteil zwischen 2009 und 2021 von Jahr zu Jahr zugenommen.
  • Ausgehend von einem sehr niedrigeren Niveau verlief der Anstieg der Frauenanteile in der Anteilseigner*innen-Vertretung – vor allem zwischen 2009 und 2014 – steiler. Bis 2021 hat sich der Frauenanteil hier fast verachtfacht (von 4 Prozent im Jahr 2009 auf 31 Prozent im Jahr 2021). Dabei verharrt der Frauenanteil der Anteilseigener*innen-Bank seit 2015 konstant bei 7 bis 8 Prozentpunkten Rückstand gegenüber dem der Arbeitnehmer*innen-Bank. Der Aufholprozess der Anteilseigener*innen-Vertretung ist damit seit 2015 zum Erliegen gekommen.

Hintergrund: Für alle börsennotierten und paritätisch-mitbestimmten Unternehmen gilt seit 2016 eine gesetzliche Geschlechterquote von mindestens 30 Prozent im Aufsichtsratsgremium (vgl. Glossar), was sich seit 2015/2016 förderlich auf den Frauenanteil in paritätisch-mitbestimmten Unternehmen auswirkt. Dies trifft vor allem auf im DAX30 bzw. inzwischen im DAX40 gelistete Unternehmen zu, da 29 der 40 dort gelisteten Unternehmen paritätisch-mitbestimmt sind (Stand: Ende 2021). Für die im MDAX und SDAX gelisteten Unternehmen ist dieser Effekt deutlich geringer, da sie seltener paritätisch-mitbestimmt sind (Ende 2021: rund die Hälfte der MDAX-Unternehmen sowie ein gutes Drittel der SDAX-Unternehmen). (2) Im August 2021 trat für die paritätisch-mitbestimmten Unternehmen zusätzlich eine gesetzliche Regelung zur geschlechtlichen Mindestbesetzung in Vorständen in Kraft (FüPoG II). (3) Sie verlangt von allen paritätisch-mitbestimmten Börsenunternehmen mit mehr als drei Vorstandsmitgliedern – für alle Besetzungen im Vorstand ab dem 01. August 2022 – mindestens ein weibliches (bzw. ein männliches) Vorstandsmitglied (vgl. Glossar). Insgesamt gelten die verbindlich vorgeschriebenen Geschlechterquoten für Aufsichtsratsgremien sowie für Vorstandsgremien Ende 2021 somit nur für die 79 paritätisch-mitbestimmten unter den 160 größten börsennotierten Unternehmen in Deutschland.

Für die anderen 81 nicht paritätisch-mitbestimmten Unternehmen (Ende 2021: 65 nicht-mitbestimmte Unternehmen sowie 16 Unternehmen mit Drittel-Beteiligung) gelten diese gesetzlichen Geschlechterquoten so nicht. Auch sie sind aber, wie alle börsennotierten Unternehmen, verpflichtet, sich selbst verbindliche Zielgrößen für die nächsten Jahre zu setzen und diese zu veröffentlichen, zu Gunsten einer Erhöhung ihrer Frauenanteile in Aufsichtsrat, Vorstand sowie den zwei höchsten betrieblichen Führungsebenen unterhalb des Vorstands. Nicht bei allen Unternehmen führen diese Zielgrößen allerdings bisher schon zum erhofften gleichstellungspolitischen Effekt. (4)

Dabei wäre eine größere Geschlechterdiversität in Aufsichtsräten erstrebenswert, denn sie kann u.a. dazu beitragen, die Qualität von Interaktion, Diskussionskultur und Entscheidungsfindung im Gremium zu verbessern. (5) Finden sich Frauen sowohl auf der Anteilseigner*innen-Bank als auch der Arbeitnehmer*innen-Bank im Aufsichtsrat, so leistet dies einen wichtigen Beitrag zur Überwindung der mitunter eingefleischten Blockbildung im Gremium, belegen Erfahrungsberichte von dazu befragten Aufsichtsratsmitglieder im Rahmen einer empirischen Studie: „Die Arbeitnehmerbank in diesem Aufsichtsrat ist vom Vorstand lange eher als Hindernis und Blockierer angesehen worden, man hat uns eigentlich nicht geliebt […] Auffällig ist, dass die zwei neuen Anteilseignerfrauen im Aufsichtsrat einen angenehmeren Umgang, sagen wir besseren Respekt für die Arbeitnehmervertreter haben als ihre männlichen Vorgänger […] Uns hat das genützt, weil sie offener und mehr auf Augenhöhe mit uns kommunizieren.“ (6)

Das Einhalten von Geschlechterquoten im Aufsichtsratsgremium, aber auch das Erreichen selbst gesetzter Zielgrößen im Unternehmen, muss dabei stets Aufgabe des gesamten Gremiums sein. Der Auftrag, mehr Aufsichtsratspositionen mit Frauen zu besetzen, richtet sich grundsätzlich an beide Seiten: die Bank der Arbeitnehmer*innen (ANV) als auch die der Anteilseigner*innen (AEV).

Weitere Informationen (Definitionen wichtiger Begriffe und methodische Anmerkungen zur Datengrundlage) sind in den Pdf-Dateien enthalten, die zum Download bereitstehen.


Bearbeitung: Svenja Pfahl, Maike Wittmann

Literatur

 

Allbright Stiftung gGmbH (2018): Die Macht der Monokultur. Erst wenigen Börsenunternehmen gelingt Vielfalt in der Führung, Bericht September 2018, Berlin, letzter Zugriff 18.08.2022.

Allbright Stiftung gGmbH (2021): Aufbruch oder Alibi? Viele Börsenvorstände erstmals mit einer Frau, Bericht September 2021, Berlin, letzter Zugriff 18.08.2022

BMAS (2019): Mitbestimmung – Eine gute Sache. Alles über die Mitbestimmung und ihre rechtlichen Grundlagen, Bonn, www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/Publikationen/a741-mitbestimmung-ein-gutes-unternehmen.html, letzter Zugriff 18.08.2022.

DGB Bundesvorstand (2015): Offensive Mitbestimmung. Vorschläge zur Weiterentwicklung der Mitbestimmung, Reihe: diskurs, Berlin, letzter Zugriff 18.08.2022.

Frankfurter Börse (o. J.): Börsenlexikon, letzter Zugriff 18.08.2022.

Hans-Böckler-Stiftung (2021): Mitbestimmungsportal, Ressourcen & Tools für den Aufsichtsrat, letzter Zugriff 18.08.2022.

Hans-Böckler-Stiftung (2018): Mehr Quote wagen. In: Böckler Impuls, 04/2018, S.1, letzter Zugriff: 18.08.2022.

Hans-Böckler-Stiftung (2015): Mitbestimmungsportal, Wissen kompakt. Häufige Fragen: Geschlechterquote, letzter Zugriff: 18.08.2022.

Kirsch, Anja / Wrohlich, Katharina (2021): Aufsichtsratsarbeit vieler Unternehmen profitiert von mehr Geschlechterdiversität. In: Managerinnen-Barometer, DIW-Wochenbericht Nr. 03/2021, S.36-42, letzter Zugriff 18.08.2022.

Pfahl, Svenja / Wittmann, Maike (2022): Frauen in Aufsichtsräten nach Mitbestimmung und Börsenindex 2009-2021. In: WSI GenderDatenPortal.

Pfahl, Svenja / Wittmann, Maike (2022): Frauen in Vorständen nach Mitbestimmung und Börsenindex 2009-2021. In: WSI GenderDatenPortal.

Weckes, Marion (2019): Strahlungsarmes „Quötchen“. Die Geschlechterverteilung in Aufsichtsrat und Vorstand 2019, Report Nr. 48, Hans-Böckler-Stiftung, Abteilung Mitbestimmungsförderung, Düsseldorf, letzter Zugriff 18.08.2022.

Weckes, Marion (2015): Geschlechterverteilung in Vorständen und Aufsichtsräten, Report Nr. 10, Hans-Böckler-Stiftung, Abteilung Mitbestimmungsförderung, Düsseldorf, letzter Zugriff 18.08.2022.

Weckes, Marion (2011): Geschlechterverteilung in Vorständen und Aufsichtsräten in den 160 börsennotierten Unternehmen (Dax-30, M-Dax, S-Dax, Tec Dax) zum 31. Januar 2011, Arbeitspapier, Hans-Böckler-Stiftung, Abteilung Mitbestimmungsförderung, Düsseldorf, letzter Zugriff 18.08.2022.

Wrohlich, Katharina (2021): „Mindestbeteiligung von Frauen in Vorständen ist wichtiges gleichstellungspolitisches Signal“ (Interview). In: Managerinnen-Barometer, DIW-Wochenbericht Nr. 03/2021, S.43, letzter Zugriff 18.08.2022.

 


(1) Vgl. Pfahl, Svenja / Wittmann, Maike (2022): Frauen in Aufsichtsräten nach Mitbestimmung und Börsenindex 2009-2021. In: WSI GenderDatenPortal. 

(2) Vgl. Pfahl, Svenja / Wittmann, Maike (2022): Frauen in Vorständen nach Mitbestimmung und Börsenindex 2009-2021. In: WSI GenderDatenPortal.

(3) Vgl. Wrohlich, Katharina (2021): „Mindestbeteiligung von Frauen in Vorständen ist wichtiges gleichstellungspolitisches Signal“ (Interview). In: Managerinnen-Barometer, DIW-Wochenbericht Nr. 03/2021, S. 43.

(4) Vgl. Allbright Stiftung gGmbH (2018): Die Macht der Monokultur. Erst wenigen Börsenunternehmen gelingt Vielfalt in der Führung, Bericht September 2018, Berlin sowie sowie zur Situation in Vorständen auch: Allbright Stiftung gGmbH (2021): Aufbruch oder Alibi? Viele Börsenvorstände erstmals mit einer Frau, Bericht September 2021, Berlin.

(5) Kirsch, Anja / Wrohlich, Katharina (2021): Aufsichtsratsarbeit vieler Unternehmen profitiert von mehr Geschlechterdiversität. In: Managerinnen-Barometer, DIW-Wochenbericht Nr. 03/2021, Seite 41.

(6) Vgl. Kirsch, Anja / Wrohlich, Katharina (2021): Aufsichtsratsarbeit vieler Unternehmen profitiert von mehr Geschlechterdiversität. In: Managerinnen-Barometer, DIW-Wochenbericht Nr. 03/2021, Seite 40.

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