WSI GenderDatenPortal: Mitbestimmung: Frauen in Aufsichtsräten nach Mitbestimmung und Börsenindex 2009-2021
Grafiken, Analyse, Tabellen (pdf)
Im Jahr 2021 sind mit 33 Prozent ein Drittel aller Aufsichtsratssitze in den 160 größten deutschen börsennotierten Unternehmen weiblich besetzt, 67 Prozent sind männlich besetzt (vgl. Grafik 2).
Der Frauenanteil in deutschen Aufsichtsräten hat sich dabei innerhalb des Beobachtungszeitraums 2008 bis 2021 mehr als verdreifacht: Er stieg von 9 Prozent (2008) auf aktuell 33 Prozent (2021) an. Dennoch besetzen Frauen mit einem Drittel weiterhin nur eine Minderheit der Aufsichtsratssitze. Die Gesamtzahl aller weiblichen Aufsichtsratsmitglieder in den 160 Unternehmen stieg dabei im Beobachtungszeitraum von 159 auf 569 Frauen an (vgl. Tab. 01.1b).
Deutliche Unterschiede innerhalb des Beobachtungszeitraums zeigen sich insbesondere zwischen mitbestimmten und nicht-mitbestimmten Unternehmen, d.h. danach, ob die Aufsichtsräte dieser Unternehmen auch aus Vertreter*innen der Arbeitnehmer*innen zusammengesetzt sind oder nur aus Vertreter*innen der Anteilseigner*innen (Grafik 1). Bis 2014 fiel der Frauenanteil in Aufsichtsräten mitbestimmter Unternehmen stets mindestens doppelt so hoch aus wie in nicht-mitbestimmten Unternehmen. Erst seit 2015 holen die nicht-mitbestimmten Unternehmen etwas auf. Im Jahr 2021 beträgt der Vorsprung mitbestimmter Unternehmen (36 Prozent) gegenüber nicht-mitbestimmten Unternehmen (25 Prozent) jedoch immer noch 11 Prozentpunkte. Ursache dafür ist, dass auf Seiten der Arbeitnehmer*innen anteilig mehr Frauen in die Aufsichtsräte entsandt werden als auf Seiten der Anteilseigner*innen. (1)
Unterschiedliche Frauenanteile ergeben sich auch je nach Börsenindex der Unternehmen, also danach ob die Unternehmen in den Bereich des DAX40 (bis September 2021: DAX30), des MDAX oder des SDAX fallen (vgl. Grafik 2):
- Der Frauenanteil in den Aufsichtsräten von DAX30- bzw. inzwischen DAX40-Unternehmen (35 Prozent) fällt in allen Jahren erkennbar höher aus als in MDAX- oder SDAX-Unternehmen.
- Gerade seit 2017 haben MDAX-Unternehmen ihren Rückstand bei den weiblichen Aufsichtsratsmitgliedern gegenüber den DAX30- bzw. inzwischen DAX40-Unternehmen leicht abbauen können. Aktuell beträgt der Rückstand der MDAX-Unternehmen (33 Prozent) gegenüber den DAX40-Unternehmen (35 Prozent) nur noch zwei Prozentpunkte; der Rückstand der SDAX-Unternehmen (32 Prozent) gegenüber den DAX40-Unternehmen nur noch drei Prozentpunkte.
Einfluss auf die Höhe des Frauenanteils in den Aufsichtsratsgremien nimmt – auch innerhalb der jeweiligen Börsenindizes – zusätzlich die Form der Unternehmensmitbestimmung (vgl. Grafik 3):
- Auffallend ist, dass sich der Anteil weiblicher Aufsichtsratsmitglieder in allen mitbestimmten Unternehmen – egal ob DAX40, MDAX oder SDAX – ähnlich darstellt. Er beträgt zwischen 35 und 37 Prozent.
- Deutlich abweichend ist die Situation in den nicht-mitbestimmten Unternehmen: Hier fällt der Frauenanteil jeweils um mindestens 10 Prozentpunkte niedriger aus als in mitbestimmten Unternehmen und beträgt nur 23 Prozent (SDAX), 25 Prozent (MDAX) oder 26 Prozent (DAX40).
Hintergrund: Bei 29 der insgesamt 40 Unternehmen des DAX40 handelt es sich um paritätisch mitbestimmte Unternehmen. Für alle börsennotierten und paritätisch-mitbestimmten Unternehmen gilt seit 2016 eine gesetzliche Geschlechterquote von mindestens 30 Prozent im Aufsichtsrat (vgl. Glossar) – was sich bereits seit 2015/2016 förderlich auf den Frauenanteil in den Aufsichtsräten von DAX30- bzw. inzwischen DAX40-Unternehmen auswirkt. Die Geschlechterquote gilt genauso auch für alle anderen börsennotierten und paritätisch-mitbestimmten Unternehmen, auch für diejenigen im MDAX und SDAX, allerdings ist der Kreis paritätisch-mitbestimmter Unternehmen im MDAX (Dez. 2021: 24 von 50 Unternehmen) bzw. im SDAX (Dez. 2021: 26 von 70 Unternehmen) deutlich kleiner. Insgesamt gilt die gesetzlich vorgeschriebene Geschlechterquote Ende 2021 für 79 paritätisch-mitbestimmte Unternehmen unter den hier betrachteten 160 größten börsennotierten Unternehmen in Deutschland.
Für die anderen 81 unter den größten 160 börsennotierten Unternehmen, die nicht paritätisch-mitbestimmt sind (Ende 2021: 65 nicht-mitbestimmte Unternehmen sowie 16 Unternehmen mit Drittel-Beteiligung) gilt die gesetzliche Geschlechterquote so nicht. Auch sie sind aber, wie alle börsennotierten Unternehmen, verpflichtet, sich selbst verbindliche Zielgrößen für die nächsten Jahre zu setzen und diese zu veröffentlichen, zu Gunsten einer Erhöhung ihrer Frauenanteile in Aufsichtsrat, Vorstand sowie den zwei höchsten betrieblichen Führungsebenen unterhalb des Vorstands. Nicht bei allen Unternehmen führen diese Zielgrößen allerdings bisher schon zum erhofften gleichstellungspolitischen Effekt. (2)
Seit den – mit der Verabschiedung der gesetzlichen Geschlechterquote angestoßenen – großen Schritten bis zum Erreichen der Marge eines durchschnittlichen 30-Prozent-Anteils von Frauen in den Aufsichtsräten der 160 größten börsennotierten Unternehmen im Jahr 2018 stagniert die Entwicklung des Frauenanteils in deutschen Aufsichtsräten seitdem jedoch wieder deutlich. (3) Dabei wäre eine größere Geschlechterdiversität in Aufsichtsräten dringend erstrebenswert, denn sie kann u.a. dazu beitragen, die Qualität von Interaktion, Diskussionskultur und Entscheidungsfindung im Gremium zu verbessern. (3) Vorschläge und Entscheidungen des Vorstandes werden in Aufsichtsratsgremien mit weiblichen Mitgliedern intensiver hinterfragt: „Durch besonders »beharrliches« und »investigatives Nachfragen« zwingen weibliche Aufsichtsratsmitglieder den Vorstand dazu, »sorgfältig zu arbeiten« und seine Entscheidungen »gut zu begründen«“, so belegen Erfahrungsberichte von dazu befragten Aufsichtsratsmitgliedern. (4)
Weitere Informationen (Definitionen wichtiger Begriffe und methodische Anmerkungen zur Datengrundlage) sind in den Pdf-Dateien enthalten, die zum Download bereitstehen.
Bearbeitung: Svenja Pfahl, Maike Wittmann
Literatur
Allbright Stiftung gGmbH (2018): Die Macht der Monokultur. Erst wenigen Börsenunternehmen gelingt Vielfalt in der Führung, Bericht September 2018, Berlin, letzter Zugriff 18.08.2022.
Allbright Stiftung gGmbH (2021): Aufbruch oder Alibi? Viele Börsenvorstände erstmals mit einer Frau, Bericht September 2021, Berlin, letzter Zugriff 18.08.2022
BMAS (2019): Mitbestimmung – Eine gute Sache. Alles über die Mitbestimmung und ihre rechtlichen Grundlagen, Bonn, letzter Zugriff 18.08.2022.
DGB Bundesvorstand (2015): Offensive Mitbestimmung. Vorschläge zur Weiterentwicklung der Mitbestimmung, Reihe: diskurs, Berlin, letzter Zugriff 18.08.2022.
Frankfurter Börse (o. J.): Börsenlexikon, letzter Zugriff 18.08.2022.
Hans-Böckler-Stiftung (2021): Mitbestimmungsportal, Ressourcen & Tools für den Aufsichtsrat, letzter Zugriff 18.08.2022.
Hans-Böckler-Stiftung (2018): Mehr Quote wagen. In: Böckler Impuls, 04/2018, S.1, letzter Zugriff: 18.08.2022.
Hans-Böckler-Stiftung (2015): Mitbestimmungsportal, Wissen kompakt. Häufige Fragen: Geschlechterquote, letzter Zugriff 18.08.2022.
Kirsch, Anja / Wrohlich, Katharina (2021): Aufsichtsratsarbeit vieler Unternehmen profitiert von mehr Geschlechterdiversität. In: Managerinnen-Barometer, DIW-Wochenbericht Nr. 03/2021, S.36-42, letzter Zugriff 18.08.2022.
Pfahl, Svenja / Wittmann, Maike (2022): Frauen in Aufsichtsräten nach Anteilseigner*- bzw. Arbeitnehmer*innen 2009-2021. In: WSI GenderDatenPortal.
Pfahl, Svenja / Wittmann, Maike (2022): Frauen in Vorständen nach Mitbestimmung und Börsenindex 2009-2021. In: WSI GenderDatenPortal.
Weckes, Marion (2019): Strahlungsarmes „Quötchen“. Die Geschlechterverteilung in Aufsichtsrat und Vorstand 2019, Report Nr. 48, Hans-Böckler-Stiftung, Abteilung Mitbestimmungsförderung, Düsseldorf, letzter Zugriff 18.08.2022.
Weckes, Marion (2015): Geschlechterverteilung in Vorständen und Aufsichtsräten, Report Nr. 10, Hans-Böckler-Stiftung, Abteilung Mitbestimmungsförderung, Düsseldorf, letzter Zugriff 18.08.2022.
Weckes, Marion (2011): Geschlechterverteilung in Vorständen und Aufsichtsräten in den 160 börsennotierten Unternehmen (Dax-30, M-Dax, S-Dax, Tec-Dax) zum 31. Januar 2011, Arbeitspapier, Hans-Böckler-Stiftung, Abteilung Mitbestimmungsförderung, Düsseldorf, letzter Zugriff 18.08.2022.
Wrohlich, Katharina (2021): „Mindestbeteiligung von Frauen in Vorständen ist wichtiges gleichstellungspolitisches Signal“ (Interview). In: Managerinnen-Barometer, DIW-Wochenbericht Nr. 03/2021, S.43, letzter Zugriff 18.08.2022.
(1) Vgl. Pfahl, Svenja / Wittmann, Maike (2022): Frauen in Aufsichtsräten nach Seite der Anteilseigner*- bzw. Arbeitnehmer*innen 2009-2021. In: WSI GenderDatenPortal.
(2) Vgl. Allbright Stiftung gGmbH (2018): Die Macht der Monokultur. Erst wenigen Börsenunternehmen gelingt Vielfalt in der Führung, Bericht September 2018, Berlin sowie zur Situation in Vorständen auch: Allbright Stiftung gGmbH (2021): Aufbruch oder Alibi? Viele Börsenvorstände erstmals mit einer Frau, Bericht September 2021, Berlin.
(3) Dies konstatiert auch die Allbright Stiftung und fordert weiterhin ein konsequentes Sich-Einsetzen für die Transformation in deutschen Aufsichtsräten „… bis dort ein ausgewogenes Verhältnis von Frauen und Männern erreicht ist“ (vgl. Allbright Stiftung GmbH, 2021, Aufbruch oder Alibi? Viele Börsenvorstände erstmals mit einer Frau, Bericht September 2021, Berlin S. 12).
(3) Vgl. Wrohlich, Katharina (2021): „Mindestbeteiligung von Frauen in Vorständen ist wichtiges gleichstellungspolitisches Signal“ (Interview). In: Managerinnen-Barometer, DIW-Wochenbericht Nr. 03/2021, S.43.
(4) Vgl. Kirsch, Anja / Wrohlich, Katharina (2021): Aufsichtsratsarbeit vieler Unternehmen profitiert von mehr Geschlechterdiversität. In: Managerinnen-Barometer, DIW-Wochenbericht Nr. 03/2021, S.40.