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WSI GenderDatenPortal: Mitbestimmung: Frauen in Aufsichtsräten nach Mitbestimmung und Börsenindex 2009-2023

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Im Jahr 2023 sind mit 36 Prozent ein gutes Drittel aller Aufsichtsratssitze in den 160 größten deutschen börsennotierten Unternehmen weiblich besetzt, 64 Prozent sind männlich besetzt (vgl. Grafik 2).

Der Frauenanteil in deutschen Aufsichtsräten hat sich dabei innerhalb des Beobachtungszeitraums 2008 bis 2023 mehr als verdreifacht: Er stieg von 9 Prozent (2008) auf aktuell 36 Prozent (2023). Dennoch stellen Frauen auch mit einem guten Drittel aller Sitze weiterhin nur eine Minderheit in den Aufsichtsratsgremien. Die Gesamtzahl aller weiblichen Aufsichtsratsmitglieder in den 160 Unternehmen stieg dabei innerhalb des Beobachtungszeitraums von 159 auf 628 Frauen, bei 1.750 Aufsichtsratssitzen insgesamt im Jahr 2023 (vgl. Tab. 01.1b). Allerdings fielen die Zuwächse in den letzten Jahren eher gering aus. (1)

Deutliche Unterschiede innerhalb des Beobachtungszeitraums zeigen sich insbesondere zwischen mitbestimmten und nicht-mitbestimmten Unternehmen, d.h. danach, ob die Aufsichtsräte dieser Unternehmen auch aus Vertreter*innen der Arbeitnehmer*innen zusammengesetzt sind oder nur aus Vertreter*innen der Anteilseigner*innen (Grafik 1). Bis 2014 fiel der Frauenanteil in Aufsichtsräten mitbestimmter Unternehmen stets mindestens doppelt so hoch aus wie in nicht-mitbestimmten Unternehmen. Erst seit 2015 holen die nicht-mitbestimmten Unternehmen etwas auf. Im Jahr 2023 beträgt der Vorsprung mitbestimmter Unternehmen (38 Prozent Frauen) gegenüber nicht-mitbestimmten Unternehmen (30 Prozent Frauen) immerhin noch 8 Prozentpunkte. Ursache dafür ist, dass auf Arbeitnehmer*innen-Seite anteilig mehr Frauen in die Aufsichtsräte entsandt werden als auf Anteilseigner*innen-Seite. (2)

Unterschiedliche Frauenanteile ergeben sich auch je nach Börsenindex der Unternehmen, also danach, ob die Unternehmen in den Bereich des DAX40 (bis September 2021: DAX30), des MDAX oder des SDAX fallen (vgl. Grafik 2):

  • Der Frauenanteil in den Aufsichtsräten der DAX40-Unternehmen (38 Prozent) fällt in allen Jahren des Beobachtungszeitraums erkennbar höher aus als in MDAX- oder SDAX-Unternehmen. Allerdings ist dieser Vorsprung spätestens seit 2020 deutlich geschrumpft.
  • Bereits seit 2016 haben MDAX-Unternehmen ihren Rückstand bei den weiblichen Aufsichtsratsmitgliedern gegenüber den DAX30- bzw. inzwischen DAX40-Unternehmen abbauen können (vgl. Tab. 01.2). Aktuell beträgt der Rückstand der MDAX-Unternehmen (36 Prozent Frauen) gegenüber den DAX40-Unternehmen (38 Prozent) nur noch zwei Prozentpunkte.
  • Auch der Rückstand der SDAX-Unternehmen (34 Prozent Frauen) gegenüber den DAX40-Unternehmen beträgt – nach deutlichem Zuwachs des Frauenanteils spätestens seit 2016 – nur noch vier Prozentpunkte.

Einfluss auf die Höhe des Frauenanteils in den Aufsichtsratsgremien nimmt – auch innerhalb der jeweiligen Börsenindizes – zusätzlich die Form der Unternehmensmitbestimmung (vgl. Grafik 3):

  • Auffallend ist, dass sich der Anteil weiblicher Aufsichtsratsmitglieder in allen mitbestimmten Unternehmen – egal ob DAX40, MDAX oder SDAX – ähnlich darstellt. Er beträgt zwischen 37 und 39 Prozent.
  • Deutlich abweichend ist die Situation in den nicht-mitbestimmten Unternehmen. Hier erweist sich der Frauenanteil als stärker unterschiedlich. Er fällt jeweils um drei bis zehn Prozentpunkte niedriger aus als in mitbestimmten Unternehmen und beträgt 27 Prozent (SDAX), 31 Prozent (MDAX) oder 36 Prozent (DAX40).

Hintergrund: Bei 32 der insgesamt 40 Unternehmen aus dem DAX40 handelt es sich zum Jahresende 2023 um paritätisch mitbestimmte Unternehmen, bei zwei weiteren um Unternehmen mit Drittel-Beteiligung. Der DAX40 weist damit einen besonders großen Anteil an mitbestimmten Unternehmen auf.

Für alle börsennotierten und paritätisch-mitbestimmten Unternehmen gilt seit 2016 eine gesetzliche Geschlechterquote von mindestens 30 Prozent im Aufsichtsrat (vgl. Glossar) – was sich bereits seit 2015/2016 förderlich auf den Frauenanteil in den Aufsichtsräten von DAX30- bzw. inzwischen DAX40-Unternehmen auswirkt. Die Geschlechterquote gilt genauso auch für alle anderen börsennotierten und paritätisch-mitbestimmten Unternehmen, also auch für solche im MDAX und SDAX. Allerdings ist der Kreis paritätisch-mitbestimmter Unternehmen im MDAX (27 von 50 Unternehmen) bzw. im SDAX (22 von 70 Unternehmen) Ende 2022 deutlich kleiner als im DAX40 (32 von 40 Unternehmen). (3) Insgesamt gilt die gesetzlich vorgeschriebene Geschlechterquote damit Ende 2023 nur für die 81 paritätisch-mitbestimmten Unternehmen unter allen hier betrachteten 160 größten börsennotierten Unternehmen in Deutschland. (4)

Für die anderen 79 Unternehmen, die nicht paritätisch-mitbestimmt sind (Ende 2023: 63 nicht-mitbestimmte Unternehmen sowie 16 Unternehmen mit Drittel-Beteiligung) gilt die gesetzliche Geschlechterquote nicht in vergleichbarer Weise. Allerdings sind auch sie, wie alle börsennotierten Unternehmen, verpflichtet, sich selbst verbindliche Zielgrößen für die nächsten Jahre zu setzen und diese zu veröffentlichen, zu Gunsten einer Erhöhung ihrer Frauenanteile in Aufsichtsrat, Vorstand sowie den zwei höchsten betrieblichen Führungsebenen unterhalb des Vorstands.

Seit den – mit der Verabschiedung der gesetzlichen Geschlechterquote angestoßenen – großen Schritten bis zum Erreichen der Marge eines durchschnittlichen 30-Prozent-Anteils von Frauen in den Aufsichtsräten der 160 größten börsennotierten Unternehmen im Jahr 2018 stagniert die Entwicklung des Frauenanteils in deutschen Aufsichtsräten jedoch wieder deutlich. Zudem schaffen es Frauen bisher auch nur äußerst selten an die Spitze des Aufsichtsrates: Unter den 160 Aufsichtsratsvorsitzenden gibt es bisher nur 10 Frauen (Stand: September 2024). (5) Dabei wären eine größere Geschlechterdiversität in Aufsichtsräten sowie mehr weibliche Aufsichtsratsvorsitzende dringend erstrebenswert, denn beides kann u.a. dazu beitragen, die Qualität von Interaktion, Diskussionskultur und Entscheidungsfindung im Gremium zu verbessern. (6) Vorschläge und Entscheidungen des Vorstandes werden in Aufsichtsratsgremien mit weiblichen Mitgliedern intensiver hinterfragt: „Durch besonders »beharrliches« und »investigatives Nachfragen« zwingen weibliche Aufsichtsratsmitglieder den Vorstand dazu, »sorgfältig zu arbeiten« und seine Entscheidungen »gut zu begründen«“, so belegen Erfahrungsberichte von dazu befragten Aufsichtsratsmitgliedern. (7)

Weitere Informationen (Definitionen wichtiger Begriffe und methodische Anmerkungen zur Datengrundlage) sind in den Pdf-Dateien enthalten, die zum Download bereitstehen.


Bearbeitung: Svenja Pfahl, Eugen Unrau


Literatur
 

Allbright Stiftung gGmbH (2024): MIND THE GAP. Deutschland bleibt beim Frauenanteil im Top-Management weit hinter Großbritannien, Bericht September 2024, Berlin, letzter Zugriff 26.03.2025.

Allbright Stiftung gGmbH (2023): Einsam an der Spitze. Unternehmen holen Frauen in die Vorstände, aber in der Regel nur eine, Bericht September 2023, Berlin, letzter Zugriff 17.02.2025.

BMAS (2024): Mitbestimmung – Eine gute Sache. Alles über die Mitbestimmung und ihre rechtlichen Grundlagen, Bonn, letzter Zugriff 17.02.2025.

DGB Bundesvorstand (o.J.): Deine Stimme zählt. Mitbestimmung im Betrieb, DGB-Webseite, Berlin, letzter Zugriff 17.02.2025.

Frankfurter Börse (o. J.): Börsenlexikon, letzter Zugriff 17.02.2025.

Hans-Böckler-Stiftung (2023): Mitbestimmungsportal, Ressourcen & Tools für den Aufsichtsrat, letzter Zugriff 17.02.2025.

Hans-Böckler-Stiftung (2023): Mitbestimmungsportal, Wissen kompakt. Häufige Fragen: Geschlechterquote, letzter Zugriff 17.02.2025.

Hans-Böckler-Stiftung (2018): Mehr Quote wagen. In: Böckler Impuls, 04/2018, S.1, letzter Zugriff: 17.02.2025.

Kirsch, Anja/Sondergeld, Virginia/Wrohlich, Katharina (2023): Erneut mehr Frauen in Vorständen großer Unternehmen – durch Beteiligungsgebot angestoßene Dynamik lässt aber nach. In: Managerinnen-Barometer, DIW Wochenbericht Nr. 03/2023, S. 22-33, letzter Zugriff 17.02.2025.

Kirsch, Anja/Wrohlich, Katharina (2021): Aufsichtsratsarbeit vieler Unternehmen profitiert von mehr Geschlechterdiversität. In: Managerinnen-Barometer, DIW-Wochenbericht Nr. 03/2021, S.36-42, letzter Zugriff 17.02.2025.

Pfahl, Svenja/Unrau, Eugen (2025): Frauen in Aufsichtsräten nach Seite der Anteilseigner*- bzw. Arbeitnehmer*innen 2009-2023. In: WSI GenderDatenPortal.

Pfahl, Svenja/Unrau, Eugen (2025): Frauen in Vorständen nach Mitbestimmung und Börsenindex 2009-2023. In: WSI GenderDatenPortal.

Sondergeld, Virginia/Wrohlich, Katharina/Kirsch, Anja (2024): Frauenanteil in Vorständen großer Unternehmen gestiegen, meist bleibt es aber bei höchstens einer Frau. In: Managerinnen-Barometer, DIW-Wochenbericht Nr. 03/2024, S. 26-36, l, letzter Zugriff 17.02.2025

Weckes, Marion (2019): Strahlungsarmes „Quötchen“. Die Geschlechterverteilung in Aufsichtsrat und Vorstand 2019, Report Nr. 48, Hans-Böckler-Stiftung, Abteilung Mitbestimmungsförderung, Düsseldorf, letzter Zugriff 17.02.2025.

Weckes, Marion (2015): Geschlechterverteilung in Vorständen und Aufsichtsräten, Report Nr. 10, Hans-Böckler-Stiftung, Abteilung Mitbestimmungsförderung, Düsseldorf, letzter Zugriff 17.02.2025.

Weckes, Marion (2011): Geschlechterverteilung in Vorständen und Aufsichtsräten in den 160 börsennotierten Unternehmen (Dax-30, M-Dax, S-Dax, Tec-Dax) zum 31. Januar 2011, Arbeitspapier, Hans-Böckler-Stiftung, Abteilung Mitbestimmungsförderung, Düsseldorf.

Wrohlich, Katharina (2021): „Mindestbeteiligung von Frauen in Vorständen ist wichtiges gleichstellungspolitisches Signal“ (Interview). In: Managerinnen-Barometer, DIW-Wochenbericht Nr. 03/2021, S.43, letzter Zugriff 17.02.2025.

 


(1) So auch Kirsch, Anja/Sondergeld, Virginia/Wrohlich, Katharina (2023): Erneut mehr Frauen in Vorständen großer Unternehmen – durch Beteiligungsgebot angestoßene Dynamik lässt aber nach. In: Managerinnen-Barometer, DIW Wochenbericht Nr. 03/2023, S. 24.

(2) Von den insgesamt 70 SDAX-Unternehmen sind 21 Unternehmen paritätisch mitbestimmt, ein weiteres Unternehmen unterliegt der Montan-Mitbestimmung, nach welcher sich die stimmberechtigten Mitglieder des Aufsichtsrates jedoch ebenfalls paritätisch aus Anteilseigner*innen und Arbeitnehmer*innen zusammensetzen. Daher werden die 22 Unternehmen hier zu einer Gruppe zusammengefasst.

(3) Vgl. Pfahl, Svenja/Unrau, Eugen (2025): Frauen in Aufsichtsräten nach Seite der Anteilseigner*- bzw. Arbeitnehmer*innen 2009-2022. In: WSI GenderDatenPortal.

(4) Vgl. Hans Böckler Stiftung (2018): Mehr Quote wagen. In: Böckler Impuls, 04/2018, S.1.

(5) Vgl. Allbright Stiftung gGmbH (2024): MIND THE GAP. Deutschland bleibt beim Frauenanteil im Top-Management weit hinter Großbritannien, Bericht September 2024, Berlin, Seite 6.

(6) Vgl. Wrohlich, Katharina (2021): „Mindestbeteiligung von Frauen in Vorständen ist wichtiges gleichstellungspolitisches Signal“ (Interview). In: Managerinnen-Barometer, DIW-Wochenbericht Nr. 03/2021, Seite 43. Sowie Weckes, Marion (2019): Strahlungsarmes „Quötchen“. Die Geschlechterverteilung in Aufsichtsrat und Vorstand 2019, Report Nr. 48, Hans-Böckler-Stiftung.

(7) Kirsch, Anja/Wrohlich, Katharina (2021): Aufsichtsratsarbeit vieler Unternehmen profitiert von mehr Geschlechterdiversität. In: Managerinnen-Barometer, DIW-Wochenbericht Nr. 03/2021, Seite 40.

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