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WSI GenderDatenPortal: Mitbestimmung: Frauenanteil in den DGB-Gewerkschaften 2005-2023

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Zum Jahresende 2023 zählen die acht DGB-Gewerkschaften in Deutschland rund 5,7 Millionen Mitglieder. Davon sind 1,9 Millionen – und damit ein gutes Drittel – Frauen (vgl. Grafik 1). Zum ersten Mal wurde dabei auch der Anteil von diversen Personen - wenn auch noch nicht für alle Gewerkschaften - erhoben (vgl. Grafik 1 und 2). Diese machen 1.000 der insgesamt 5,7 Millionen Mitglieder aus.

Innerhalb des Beobachtungszeitraums von 2005 bis 2023 ist die Gesamtzahl der DGB-Gewerkschaftsmitglieder kontinuierlich zurückgegangen – besonders stark zwischen 2005 und 2010. Für das Jahr 2023 lässt sich erstmals nach 18 Jahren ein leichter Anstieg gegenüber dem Vorjahr feststellen. Insgesamt gibt es heute jedoch rund 1,1 Millionen DGB-Gewerkschaftsmitglieder weniger als noch 2005. Mit Blick auf die Entwicklung der Mitgliederzahlen lässt sich für das Jahr 2023 ein Anstieg in vier Einzelgewerkschaften beobachten: in der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten, der Gewerkschaft der Polizei sowie bei ver.di. (1) Der Trend abnehmender Gewerkschaftsmitgliederzahlen in den vergangenen Jahren bestätigt sich auch im europäischen Vergleich. (2)

Der Frauenanteil in den DGB-Gewerkschaften ist innerhalb des Beobachtungszeitraums von 32 Prozent (2005) auf 34 Prozent (2023) leicht angestiegen. Diese Entwicklung begründet sich durch einen stärkeren Rückgang bei den männlichen Mitgliedern: Die Mitgliederzahl der Frauen nahm zwischen 2005 und 2023 um 214 Tausend ab (Rückgang um 10 Prozent), die der Männer jedoch um 899 Tausend (Rückgang um 19 Prozent). In den letzten drei Jahren stagnierte der Anteil der Frauen jedoch unverändert bei 34 Prozent.

In den einzelnen DGB-Gewerkschaften stellen die Frauen unterschiedliche Anteile an der Gesamtheit aller Mitglieder (vgl. Grafik 2):

  • Der mit Abstand höchste Frauenanteil findet sich in der GEW (Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft). Hier stellen Frauen im Jahr 2023 mit 72 Prozent die übergroße Mehrheit aller Mitglieder. Auch in ver.di (Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft) sind mit knapp 53 Prozent mehr als die Hälfte aller Mitglieder Frauen. Mit 39 Prozent fällt auch der Frauenanteil in der NGG vergleichsweise hoch aus (Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten).
  • Demgegenüber liegen die Frauenanteile in den anderen Gewerkschaften bei rund einem Viertel und damit deutlich unter dem DGB-Durchschnitt insgesamt: Den geringsten Frauenanteil von 18 Prozent weist die IG Metall auf. (3) Ursache für die sehr unterschiedlichen Anteile an Frauen (und Männern) in den Einzel-Gewerkschaften ist die geschlechterspezifische, horizontale Segregation, d.h. die unterschiedliche Verteilung von Frauen und Männern in Deutschland auf einzelne Berufssegmente. (4)
  • Diverse Personen tauchen nur in der GEW – wenn auch mit einem sehr geringen Anteil von weniger als einem Prozent – auf. In drei weiteren Gewerkschaften (Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten, Gewerkschaft der Polizei, Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie) liegt der Anteil diverser Personen bei 0,0. Die restlichen vier Gewerkschaften weisen diesen Anteil bisher nicht aus.

Auch im regionalen Vergleich zeigen sich Unterschiede hinsichtlich des Frauenanteils an allen Gewerkschaftsmitgliedern (vgl. Grafik 3). Insgesamt stellen Frauen in Ostdeutschland mit 42 Prozent anteilig mehr Gewerkschaftsmitglieder als Frauen in Westdeutschland (33 Prozent). Unterschiede zeigen sich auch zwischen einzelnen Bundesländern: In Ostdeutschland variieren die Frauenanteile unter den DGB-Gewerkschaftsmitgliedern zwischen 45 Prozent (Berlin) und 40 Prozent (Thüringen). Für Berlin kann – anders als für andere Bundesländer – zudem bereits ein sehr geringer Anteil von Mitgliedern mit diverser Geschlechtszugehörigkeit ausgewiesen werden (weniger als ein Prozent). (5) In Westdeutschland variieren die Frauenanteile sogar um bis zu 11 Prozentpunkte, zwischen Schleswig-Holstein mit dem höchsten Frauenanteil (40 Prozent) und dem Saarland mit dem niedrigsten Frauenanteil (29 Prozent). In fast der Hälfte der westdeutschen Bundesländer sind weniger als ein Drittel der DGB-Gewerkschaftsmitglieder Frauen.

Einer der Gründe für die rückläufigen Mitgliederzahlen ist die abnehmende Zahl an Auszubildenden in Deutschland. (6) Erfahrungsgemäß organisieren sich gerade junge Auszubildende in großen Betrieben häufig in einer Gewerkschaft. Mit der steigenden Zahl an Menschen, die sich für ein Studium entscheiden, sinkt auch der gewerkschaftliche Organisationsgrad der jungen Bevölkerung. Dies erweist sich als problematisch, denn: Vollzieht sich der Eintritt in eine Gewerkschaft nicht bereits früh im Berufsleben, so geht die Wahrscheinlichkeit einer Gewerkschaftsneigung mit zunehmender Zeit zurück. (7) Trotz des bis 2022 feststellbaren Mitgliederrückgangs gilt: „Die Gewerkschaften unter dem Dach des DGB sind die mitgliederstärksten politischen Organisationen in Deutschland. Wir erreichen die Jugend wie keine andere politische Organisation – mehrere zehntausende neue Eintritte jährlich.“ (8)

Die hohe Bedeutung von gewerkschaftlichem Organisationsgrad belegt u.a. eine international vergleichende Länderstudie zum Zusammenhang von gewerkschaftlichem Organisationsgrad und der Spannweite von Einkommensunterschieden im jeweiligen Land: Während Länder mit niedrigem gewerkschaftlichen Organisationsgrad hohe Einkommensunterschiede aufweisen, fallen die Einkommensunterschiede in Ländern mit hohem Organisationsgrad deutlich geringer aus. (9) Dieser Zusammenhang konnte für die einzelnen Länder auch im Zeitvergleich – über den Zeitraum von 1986 bis 2010 – bestätigt werden: „In den meisten Ländern gehen rückläufige Mitgliederzahlen der Arbeitnehmerorganisationen und die Zunahme der Ungleichheit Hand in Hand.“ (10) Zwar ist die kausale Wirkungsrichtung zwischen gewerkschaftlichen Mitgliederzahlen und Einkommensunterschieden nicht eindeutig, aber der starke Zusammenhang zwischen beiden Größen ist für die meisten Länder belegt. In Deutschland liegt der DGB-Organisationsgrad im Jahr 2017 bei 15 Prozent der Arbeitnehmer*innen; der gewerkschaftliche Organisationsgrad insgesamt (d.h. alle Gewerkschaften und gewerkschaftsähnlichen Organisationen) lag in Deutschland 2016 bei 21 Prozent. (11)

 

Weitere Informationen (Definitionen wichtiger Begriffe und methodische Anmerkungen zur Datengrundlage) sind in den Pdf-Dateien enthalten, die zum Download bereitstehen.


Bearbeitung: Svenja Pfahl, Eugen Unrau, Anika Lindhorn

 

 

Literatur

DGB (2022): Redemanuskript der DGB-Vorsitzenden Yasmin Fahimi auf dem 22. DGB-Bundeskongress am 9. Mai 2022 (schriftliche Fassung).

DGB (o.J.): Die Mitgliederzahlen der Gewerkschaften im Deutschen Gewerkschaftsbund. Stand der Mitgliedszahlen: 31.12.2023 (Tabelle), letzter Zugriff 17.06.2024.

DGB (o.J.): Gewerkschaften: Eine Mitgliedschaft, die stark macht, https://www.dgb.de/mitmachen/mitglied-werden/, letzter Zugriff: 17.06.2024.

DGB (o.J.): Mitglieder in den DGB-Gewerkschaften 1951 bis 2018 (Grafik), letzter Zugriff 17.06.2024.

DGB-Bezirk Baden-Württemberg (o.J.): Mitgliedsgewerkschaften des DGB, letzter Zugriff 17.06.2024.

Hans Böckler Stiftung (2016): Organisiert gegen Ungleichheit: Starke Gewerkschaften verhindern, dass die Einkommen auseinanderdriften, in: Böckler Impuls 7/2016, letzter Zugriff: 17.06.2024.

Hassel, Anke/Schroeder, Wolfgang (2018): Gewerkschaften 2030. Rekrutierungsdefizite, Repräsentationslücken und neue Strategien der Mitgliederpolitik, in: WSI Report Nr. 44/2018, Hans Böckler Stiftung, Düsseldorf, letzter Zugriff: 17.06.2024.

Herzer, Dierk (2016): Unions and income inequality: A Heterogenous Panel Cointegration and Causality Analysis, in: LABOUR, März 2016, S. 318-346, letzter Zugriff: 17.06.2024.

Pfahl, Svenja/Unrau, Eugen/Wittmann, Maike (2023a): Horizontale Segregation des Arbeitsmarktes 2022. In: WSI GenderDatenPortal.

Pfahl, Svenja/Unrau, Eugen/Wittmann, Maike (2023b): Berufliche Bildung 1991-2021. In: WSI GenderDatenPortal.


(1) Eigene Berechnungen auf Grundlage der Mitgliederzahlen der Gewerkschaften des DGB 2023 und 2022. Vgl. DGB (o.J.): Die Mitgliederzahlen der Gewerkschaften im Deutschen Gewerkschaftsbund. Stand der Mitgliedszahlen: 31.12.2023 (Tabelle).

(2) Vgl. Hassel, Anke/Schroeder, Wolfgang (2018): Gewerkschaften 2030. Rekrutierungsdefizite, Repräsentationslücken und neue Strategien der Mitgliederpolitik, S. 6f.

(3) Hierbei ist zu beachten, dass die absolute Zahl der weiblichen Mitglieder in der IG Metall mit fast 400.000 auffallend hoch ist. Von allen DGB-Gewerkschaften weist nur ver.di – mit fast einer Million Frauen – eine größere Anzahl an Frauen unter ihren Mitgliedern auf (vgl. Tabelle 2).

(4) Vgl. Pfahl, Svenja/Unrau, Eugen/Wittmann, Maike (2023a): Horizontale Segregation des Arbeitsmarktes 2022.

(5) Die Geschlechterkategorie „divers“ wird noch nicht in allen DGB-Einzelgewerkschaften erhoben und ist daher für die meisten Bundesländer grafisch noch nicht abbildbar.

(6) Vgl. Pfahl, Svenja/Unrau, Eugen/Wittmann, Maike (2023b): Berufliche Bildung 1991-2021.

(7) Vgl. Hassel, Anke/Schroeder, Wolfgang (2018): Gewerkschaften 2030. Rekrutierungsdefizite, Repräsentationslücken und neue Strategien der Mitgliederpolitik, S. 9.

(8) Aus dem Redemanuskript der DGB-Vorsitzenden Yasmin Fahimi auf dem 22. DGB-Bundeskongress am 9. Mai 2022 (schriftliche Fassung) (vgl. DGB 2022).

(9) Vgl. Herzer, Dierk (2016): Unions and Income Inequality: A Heterogenous Panel Co-integration and Causality Analysis, S. 28.

(10) Hans Böckler Stiftung (2016): Organisiert gegen Ungleichheit: Starke Gewerkschaften verhindern, dass die Einkommen auseinanderdriften, S. 5.

(11) Vgl. Hassel, Anke/Schroeder Wolfgang (2018): Gewerkschaften 2030. Rekrutierungsdefizite, Repräsentationslücken und neue Strategien der Mitgliederpolitik, S. 6f.

 

 

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