WSI GenderDatenPortal: Mitbestimmung: Frauenanteil in den DGB-Gewerkschaften 2005-2021
Grafiken, Analysen, Tabellen (pdf)
Zum Jahresende 2021 zählen die acht DGB-Gewerkschaften 5,7 Millionen Mitglieder, davon stellen Frauen rund ein Drittel. Seit 2005 hat sich der Frauenanteil in den DGB-Gewerkschaften insgesamt um mehr als 2 Prozentpunkte erhöht. Die Gesamtzahl der DGB-Gewerkschaftsmitglieder ist seit 2005 – und dabei vor allem in den Jahren 2005 bis 2010 – deutlich zurückgegangen. Auch danach sind die Mitgliederzahlen weiterhin leicht rückläufig. Unter allen DGB-Gewerkschaften verzeichnete innerhalb der letzten 10 Jahre lediglich die GdP (Gewerkschaft der Polizei) sowie die GEW (Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft) einen Mitgliederanstieg (ohne Abb.). (1) Der Trend abnehmender Gewerkschaftsmitgliederzahlen bestätigt sich auch im europäischen Vergleich. (2)
Die Erhöhung des Frauenanteils in den DGB-Gewerkschaften lässt sich auf den stärkeren Rückgang der Männer unter den Mitgliedern zurückführen. Die Mitgliederzahl der Frauen nahm zwischen 2005 und 2021 um 203 Tsd. ab, was einem Rückgang von 9,4 Prozent entspricht. Die Anzahl der Männer unter den Mitgliedern sank in diesem Zeitraum sogar um 845 Tsd., und ist damit um 18,3 Prozent zurückgegangen. Daher nahm der Frauenanteil an allen Mitgliedern über den gesamten Beobachtungszeitraum von 2005 bis 2021 langsam aber stetig zu.
In den einzelnen DGB-Gewerkschaften stellen die Frauen unterschiedliche Anteile an der Gesamtheit aller Mitglieder: Der mit Abstand höchste Frauenanteil findet sich bei der GEW (Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft). Hier stellen Frauen 2021 mit 72 Prozent die übergroße Mehrheit aller Mitglieder. Auch bei ver.di (Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft) sind mit knapp 53 Prozent mehr als die Hälfte aller Mitglieder Frauen. Mit 41 Prozent fällt auch der Frauenanteil bei der NGG vergleichsweise hoch aus (Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten). Demgegenüber liegen die Frauenanteile in den anderen Gewerkschaften bei höchstens einem guten Viertel und damit deutlich unter dem DGB-Durchschnitt: Den geringsten Frauenanteil von 18 Prozent weist die IG Metall auf. (3) Ursache für die sehr unterschiedlichen Anteile an Frauen (und Männern) in den Einzel-Gewerkschaften ist die geschlechterspezifische berufliche Segregation, d.h. die unterschiedliche Verteilung von Frauen und Männern auf Berufsfelder und Branchen. (4)
Trotz des feststellbaren Mitgliederrückgangs gilt: „Die Gewerkschaften unter dem Dach des DGB sind die mitgliederstärksten politischen Organisationen in Deutschland. Wir erreichen die Jugend wie keine andere politische Organisation – mehrere zehntausende neue Eintritte jährlich!“ (5) Zwischen dem gewerkschaftlichen Organisationsgrad und der Höhe der Einkommensunterschiede in einem Land besteht dabei ein deutlicher Zusammenhang, wie eine international vergleichende Länderstudie belegt: Während Länder mit niedrigem gewerkschaftlichen Organisationsgrad hohe Einkommensunterschiede aufweisen, fallen die Einkommensunterschiede in Ländern mit hohem Organisationsgrad deutlich geringer aus. (6) Dieser Zusammenhang konnte für die einzelnen Länder auch im Zeitvergleich – über den Zeitraum von 1986 bis 2010 – bestätigt werden: „In den meisten Ländern gehen rückläufige Mitgliederzahlen der Arbeitnehmerorganisationen und die Zunahme der Ungleichheit Hand in Hand.“ (7) Zwar ist die Wirkungsrichtung zwischen gewerkschaftlichen Mitgliederzahlen und Einkommensunterschieden nicht eindeutig, aber der starke Zusammenhang zwischen beiden Größen ist für die meisten Länder belegt. In Deutschland liegt der DGB-Organisationsgrad im Jahr 2017 bei 15 Prozent der Arbeitnehmer*innen; der gewerkschaftliche Organisationsgrad insgesamt (d.h. alle Gewerkschaften und gewerkschaftsähnlichen Organisationen) lag in Deutschland 2016 bei 21 Prozent. (8)
Weitere Informationen (Definitionen wichtiger Begriffe und methodische Anmerkungen zur Datengrundlage) sind in den Pdf-Dateien enthalten, die zum Download bereitstehen.
Bearbeitung: Dietmar Hobler, Svenja Pfahl, Eugen Unrau
Literatur
DGB (2022): Redemanuskript der DGB-Vorsitzenden Yasmin Fahimi auf dem 22. DGB-Bundeskongress am 9. Mai 2022 (schriftliche Fassung), letzter Zugriff: 10.10.2022.
DGB (2016): einblick – Gewerkschaftlicher Info-Service, Heft 02/2016 vom 01.02.2016, Berlin, letzter Zugriff 10.10.2022.
DGB (o.J.): Die Gewerkschaften des Deutschen Gewerkschaftsbundes, letzter Zugriff 10.10.2022.
DGB (o.J.): Die Mitglieder der DGB-Gewerkschaften 1950-2021, letzter Zugriff 10.10.2022.
Hans Böckler Stiftung (2016): Organisiert gegen Ungleichheit: Starke Gewerkschaften verhindern, dass die Einkommen auseinanderdriften, in: Böckler Impuls 7/2016, S. 5.
Hassel, Anke / Schroeder Wolfgang (2018): Gewerkschaften 2030. Rekrutierungsdefizite, Repräsentationslücken und neue Strategien der Mitgliederpolitik, in: WSI Report Nr. 44/2018, Hans Böckler Stiftung, Düsseldorf, letzter Zugriff: 10.10.2022.
Herzer, Dierk (2016): Unions and Income Enequality: A Heterogenous Panel Co-integration and Causality Analysis, in: LABOUR, März 2016, S. 318-346.
Hobler, Dietmar / Pfahl, Svenja / Spitznagel, Julia (2019): Horizontale Segregation des Arbeitsmarktes 2017. In: WSI GenderDatenPortal.
(1) Eigene Berechnungen, vgl. DGB (o.J.): Die Mitglieder der DGB-Gewerkschaften 1950-2021.
(2) Vgl. Hassel, Anke / Schroeder, Wolfgang (2018): Gewerkschaften 2030. Rekrutierungsdefizite, Repräsentationslücken und neue Strategien der Mitgliederpolitik, in: WSI Report Nr. 44/2018, Hans Böckler Stiftung, S. 6f.
(3) Hierbei ist zu beachten, dass die absolute Zahl der weiblichen Mitglieder in der IG Metall mit fast 400.000 auffallend hoch ist. Von allen DGB-Gewerkschaften weist nur ver.di – mit fast einer Million Frauen – eine größere Anzahl an Frauen unter ihren Mitgliedern auf (siehe Datentabellen zu den Grafiken).
(4) Vgl. Hobler, Dietmar / Pfahl, Svenja / Spitznagel, Julia (2019): Horizontale Segregation des Arbeitsmarktes 2017. In: WSI GenderDatenPortal.
(5) Aus dem Redemanuskript der DGB-Vorsitzenden Yasmin Fahimi auf dem 22. DGB-Bundeskongress am 9. Mai 2022 (schriftliche Fassung) (vgl. DGB 2022).
(6) Vgl. Herzer, Dierk (2016): Unions and Income Enequality: A Heterogenous Panel Co-integration and Causality Analysis, in: LABOUR, März 2016.
(7) Organisiert gegen Ungleichheit: Starke Gewerkschaften verhindern, dass die Einkommen auseinanderdriften, in: Böckler Impuls 7/2016, S. 5.
(8) Vgl. Hassel, Anke / Schroeder Wolfgang (2018): Gewerkschaften 2030. Rekrutierungsdefizite, Repräsentationslücken und neue Strategien der Mitgliederpolitik, in: WSI Report Nr. 44/2018, Hans Böckler Stiftung, S. 6f.