WSI Verteilungsmonitor: Frage 6: Effekt der Corona-Krise auf Einkommens- und Vermögensverteilung
Frage 6: Welchen Effekt hat die Corona-Krise auf die Einkommens- und Vermögensverteilung?
Da die Covid-19-Krise noch nicht beendet ist, können die langfristigen Folgen auf die Einkommens- und Vermögensungleichheit heute noch nicht abschließend eingeschätzt werden. Kurzfristig legen aktuelle Daten aber nahe, dass die Krise im Wesentlichen zwei Gruppen getroffen hat: Geringverdienende und (Solo-)Selbstständige.
In der Pandemie waren vermehrt Personen am unteren Ende der Verteilung von Einkommenseinbußen betroffen, denn Beschäftigte mit geringen Einkommen sind häufiger atypisch beschäftigt (Keller/Seifert 2008). Erwerbsformen jenseits des Normal-Arbeitsverhältnisses bieten aber grundsätzlich insbesondere in Krisensituationen weniger Schutz. So wurden geringfügig Beschäftigte (Grabka 2020) sowie Leiharbeitnehmer:innen und befristet Beschäftigte in der Krise überdurchschnittlich häufig (Hövermann/Kohlrausch 2020) arbeitslos.
Doch auch Selbstständige, insbesondere Soloselbstständige, hatten in der Krise vermehrt Einkommenseinbußen zu verzeichnen. Auf Basis der Erwerbspersonenbefragung der Hans-Böckler-Stiftung zeigt sich, dass 37 % aller Selbstständigen und sogar 44 % aller Solo-Selbstständigen Einkommensbußen aufgrund der Covid-19-Krise erlitten. Im Vergleich dazu waren es unter den abhängig Beschäftigten 21 % (Schule Buschoff/Emmler 2021). Analysen des DIW legen daher nahe, dass die Einkommensungleichheit in Zukunft sinken könnte, da die Krise auch Selbstständige im höheren Einkommensbereich getroffen hat (Grabka 2021). Allerdings könnte auch das Gegenteil der Fall sein, da untere Einkommensgruppen häufiger betroffen waren. Letztendlich hängt die zukünftige Entwicklung der Einkommensungleichheit davon ab, ob und welche Teile des Arbeitsmarktes sich wieder erholen können – eine Frage, die heute noch nicht abschließend beantwortet werden kann.
Neben der Frage nach der Entwicklung der Einkommensungleichheit durch die Covid-19-Krise spielt die Vermögenskonzentration eine entscheidende Rolle. Auch hier fehlen zum jetzigen Zeitpunkt noch gute Daten. Allerdings legen aktuelle Untersuchungen nahe, dass die Vermögensungleichheit zugenommen haben könnte: Die Zahl der Milliardär:innen stieg weltweit trotz der globalen Wirtschaftskrise weiter an (Financial Times 2021) und ihr Vermögen erreichte im Jahr 2020 den höchsten Stand seit 2009 (DGB 2021).
Umgekehrt zeigt sich in der HBS-Erwerbspersonenbefragung auch, dass die Wahrscheinlichkeit, auf Erspartes zurückgreifen zu müssen, um so höher ist, je geringer das Einkommen ausfällt (siehe Abbildung 2). So setzen während der Covid-19-Krise 45 % der Haushalte mit einem monatlichen Haushaltsnettoäquivalenzeinkommen von maximal 1500 Euro Ersparnisse ein, um laufende monatliche Ausgaben zu decken. Unter den Haushalten mit einem Einkommen über 3500 Euro lag dieser Anteil nur bei 17 %. Zusammenfassend lässt sich somit beobachten, dass einkommensschwächere Haushalte häufiger an ihr Erspartes gehen mussten, während Super-Reiche ihr Vermögen weiter anreichern konnten.
Literatur
Deutscher Gewerkschaftsbund [DGB] (2021): DGB Verteilungsbericht 2021: Ungleichheit in Zeiten von Corona. DGB Bundesvorstand Abteilung Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik, Januar 2021, Berlin.
Financial Times (2021): The billionaire boom: how the super-rich soaked up Covid cash. The Weekend Essay, Global Economy.
Grabka, M. M. (2021): Einkommensungleichheit stagniert langfristig, sinkt aber während der Corona-Pandemie leicht. Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), DIW Wochenbericht, Nr. 18, S. 308-316, Berlin.
Hövermann, A./Kohlrausch B. (2020): Soziale Ungleichheit und Einkommenseinbußen in der Corona-Krise – Befunde einer Erwerbstätigenbefragung. Hans-Böckler-Stiftung, WSI Mitteilung Jg. 73, Juni 2020, Düsseldorf.
Keller, B./Seifert, H. (2008). Atypische Beschäftigungsverhältnisse: Flexibilität, soziale Sicherheit und Prekarität. In K.-S. Rehberg (Hrsg.), Die Natur der Gesellschaft: Verhandlungen des 33. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Kassel 2006. Campus Verl., Teilbd. 1 u. 2, S. 4390-4405, Frankfurt am Main.
Schulze Buschoff, K./Emmler, H. (2021): Selbstständige in der Corona-Krise. Ergebnisse aus der HBS-Erwerbspersonenbefragung, Wellen 1 bis 5. Hans-Böckler-Stiftung, WSI Policy Brief Nr. 60, Düsseldorf.