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WSI GenderDatenPortal: Erwerbsarbeit: Minijobs als einzige Erwerbstätigkeit 2004-2021

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Frauen sind im Jahr 2021 rund 1,5 mal so häufig ausschließlich geringfügig beschäftigt wie Männer. Im Jahresdurchschnitt hat etwa jede siebte Frau, aber nur jeder elfte Mann ausschließlich einen Minijob (vgl. Tabelle 5). (1) Insgesamt sind in Deutschland rund 4,3 Millionen Beschäftigte im Jahr 2021 ausschließlich geringfügig beschäftigt. Damit stellen die Minijobber*innen einen Anteil von 11 Prozent an allen Beschäftigten. Frauen machen mit knapp 60 Prozent immer noch den deutlich größeren Anteil an allen Minijobber*innen aus (vgl. Tabelle 1).

Innerhalb des Beobachtungszeitraums 2004 bis 2021 erreichte die Anzahl der Minijobber*innen im Jahr 2009 mit mehr als 5,3 Millionen ihren Höchststand (vgl. Grafik 1). Seither ist die Zahl der Minijobber*innen jedoch wieder deutlich zurückgegangen, besonders in den Jahren nach 2014 – und dies beschleunigt ab 2020 während der Corona-Pandemie. Die bereits vor den Corona-Jahren rückläufige Entwicklung der ausschließlich geringfügig Beschäftigten wurde durch den Stellenwegfall im Bereich der Minijobs während der Coronakrise noch deutlich verstärkt: von 2019 auf 2020 sank die Zahl der ausschließlich in Minijobs Beschäftigten von 4,8 Millionen auf 4,4 Millionen und von 2020 auf 2021 um weitere 178.000 Personen. (2)

Für beide Geschlechter sind im Beobachtungszeitraum leicht abweichende Entwicklungen festzustellen. Besonders deutlich wird dies in der Darstellung der prozentualen Veränderung der ausschließlich geringfügig versus der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung gegenüber dem Ausgangsjahr 2004 (vgl. Grafik 4):

  • Bei den Frauen ist von 2004 bis 2008 zunächst ein Anstieg der ausschließlich geringfügigen Beschäftigung um 3 Prozentpunkte festzustellen. Seitdem hat die Zahl der Minijobberinnen aber stetig abgenommen, mit einem besonders starken Rückgang nach 2014. Im Vergleich zum Ausgangsjahr 2004 hat sich die Zahl der weiblichen ausschließlichen Minijobberinnen bis 2021 um 25 Prozentpunkte verringert, während die Zahl der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Frauen im gleichen Zeitraum um 31 Prozentpunkte angewachsen ist.
  • Bei den Männern ist die Zahl der ausschließlich in einem Minijob Beschäftigten von 2004 bis 2014 zunächst deutlich um 11 Prozentpunkte angestiegen. Zwischen 2014 und 2019 stagnierte ihre Zahl, bevor sie ab 2020 im Zuge der Corona-Pandemie deutlich gesunken ist. Im Jahr 2021 liegt die Zahl der männlichen ausschließlichen Minijobber um einen Prozentpunkt niedriger als im Jahr 2004. Im Vergleich dazu stieg die Zahl der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Männer zwischen 2004 und 2021 um 25 Prozentpunkte an.

Als Folge der gegenläufigen Entwicklungen bei den Frauen und Männern sank der Frauenanteil an allen ausschließlich geringfügig Beschäftigten zwischen 2004 und 2021 von 66 Prozent auf 60 Prozent (vgl. Tabelle 1). Damit bleibt die geringfügige Beschäftigung im Haupterwerb in Deutschland jedoch weiterhin stark frauendominiert.

Im regionalen Vergleich ähneln die Ergebnisse für Westdeutschland denen für Gesamtdeutschland, für Ostdeutschland ergibt sich jedoch ein abweichendes Bild:

  • In Ostdeutschland vollzieht sich im Beobachtungszeitraum ein stärkerer Rückgang der geringfügigen Beschäftigung als einziger Erwerbstätigkeit als in Westdeutschland: Bei den Frauen in Ostdeutschland um 33 Prozentpunkte, in Westdeutschland „nur“ um 25 Prozentpunkte. Während die Zahl ausschließlich im Minijob beschäftigter Männer in Ostdeutschland um 21 Prozentpunkte zurückging, stieg sie in Westdeutschland sogar leicht an (vgl. Tabelle 4).
  • Frauen stellen sowohl in West- als auch in Ostdeutschland die Mehrheit an allen ausschließlich geringfügig Beschäftigten. In Ostdeutschland fällt ihr Anteil mit 53 Prozent (2021) jedoch erkennbar niedriger aus als in Westdeutschland (61 Prozent) (vgl. Tabellen 2 und 3).
  • Mit Blick auf den Anteil der ausschließlich geringfügig beschäftigten Frauen an allen Beschäftigten zeigt sich ebenfalls ein deutliches Ost-West-Gefälle (vgl. Grafik 5): Frauen in Westdeutschland haben fast durchgängig einen doppelt so hohen Anteil an Minijobberinnen wie Frauen in Ostdeutschland. Auch der geschlechterbezogene Abstand in Ostdeutschland fällt über den gesamten Zeitraum deutlich kleiner aus als in Westdeutschland (6 Prozentpunkte in West- und ein Prozentpunkt in Ostdeutschland).

Die Ursachen für die Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland sind der durchschnittlich höhere Erwerbsumfang ostdeutscher Frauen und die höhere Betreuungsquote von Kleinkindern in den ostdeutschen Bundesländern. (3) Diese Unterschiede gehen teilweise auf ein anderes Leitbild von Mutterschaft in der DDR zurück, in dem Mutterschaft und gleichzeitige Vollzeitbeschäftigung gesellschaftlicher Standard waren, während das Leitbild für Mütter in der Bundesrepublik Deutschland eine Unterbrechung oder starke Reduzierung der Erwerbstätigkeit zu Gunsten der Kinderbetreuung vorsah. (4)

In der politischen Diskussion um eine ausschließlich geringfügige Beschäftigung wird in Deutschland besonders auf die damit verbundenen sozialen Risiken abgestellt: Geringfügig Beschäftigte erhalten meist nur geringe Stundenlöhne, sind beim Zugang zu betrieblich-beruflichen Weiterbildungen deutlich benachteiligt und laufen längerfristig Gefahr, keine existenzsichernde Rente zu erlangen. (5) Mit der Einführung des Mindestlohns im Jahr 2015 und seiner sukzessiven Anhebung in den letzten Jahren ist der durchschnittliche Stundenlohn von geringfügig Beschäftigten angestiegen. Aufgrund der Verdienstobergrenze (bis 2022: 450 Euro/Monat) kann dabei jedoch nicht immer von positiven Einkommenseffekten gesprochen werden – in vielen Fällen kommt es zur Stundenreduzierung um bei steigenden Stundenlöhnen auch weiterhin unter der Verdienstgrenze zu bleiben, teilweise werden Minijobs jedoch auch in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse umgewandelt. (6) 

Wer sind die ausschließlichen Minijobber*innen? Es handelt sich dabei größtenteils um vier sehr unterschiedliche Personengruppen: Neben Arbeitslosen (11 Prozent) und Rentner*innen (22 Prozent) sowie Schüler*innen und Studierenden (20 Prozent) stellen Hausfrauen und Hausmänner im Jahr 2013 mit 35 Prozent den größten Anteil an den ausschließlichen Minijobber*innen. (7) Auch neuere Veröffentlichungen bestätigen diese Personengruppen als den „harten Kern“ der ausschließlichen Minijobber*innen. (8) Mehr als die Hälfte der Hausfrauen (und Hausmänner) benötigt das im Minijob verdiente Geld, um den Lebensunterhalt von sich bzw. ihrem Mehrpersonenhaushalt abzusichern. Dennoch wollen die meisten Hausfrauen/Hausmänner die eigenen Arbeitszeiten nicht über den Minijob hinaus ausweiten, wegen der von ihnen geleisteten Betreuung von Kindern oder zu pflegenden Angehörigen. (9) Ein Überschreiten der „Minijob-Obergrenze“ lohnt sich für die Betroffenen finanziell oft nicht, insbesondere wenn sie in einer Partnerschaft/Ehe mit Nutzung des Ehegattensplittings leben, so dass sie in der sog. „Geringfügigkeitsfalle“ gefangen bleiben. (10) Vor diesem Hintergrund plädieren Studien immer wieder für eine Reform des Ehegattensplittings und einer Einschränkung von Minijobs, um Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigungen für Zweitverdienende (und damit vor allem: Mütter) attraktiver zu machen. (11) Denn hinter der Entscheidung von Frauen, (ausschließlich) im Minijob tätig zu sein, stecken häufig strukturelle Zwänge, wie fehlende Möglichkeiten zur Kinderbetreuung und mangelndes Familienbewusstsein in den Unternehmen. Diese dann auf Paarebene gewählte Lösung birgt aber vor allem Risiken für Frauen, da sie damit finanziell stark von dem/der Partner*in abhängig und im Fall einer Trennung unzureichend abgesichert sind. (12) Minijobs stellen somit insbesondere für Frauen eine im Lebensverlauf riskante Beschäftigungsform dar, die zudem mit einem hohen Verarmungsrisiko einhergeht. (13) Daher besteht wissenschaftlich „weitgehend Konsens, dass Minijobs wieder eingegrenzt werden sollten, da sie für die Beschäftigen nicht bedarfsdeckend und armutsvermeidend sind, keine soziale Sicherung und Beschäftigungsperspektiven bieten.“ (14).

Weitere Informationen (Definitionen wichtiger Begriffe und methodische Anmerkungen zur Datengrundlage) sind in den Pdf-Dateien enthalten, die zum Download bereitstehen.


Bearbeitung: Svenja Pfahl, Eugen Unrau, Maike Wittmann



Literatur

Barth, Denise / Jessen, Jonas / Spieß, Katharina / Wrohlich Katharina (2020): Mütter in Ost und West. Angleichung bei Erwerbstätigenquoten und Einstellungen, nicht bei Vollzeiterwerbstätigkeit. DIW Wochenbericht 38/2020., letzter Zugriff: 25.01.2023.

Blömer, Maximilian/Peichl, Andreas (2020): Für wen lohnt sich Arbeit? Partizipationsbelastungen im deutschen Steuer-, Abgaben- und Transfersystem. Bertelsmann Stiftung, Gütersloh., letzter Zugriff: 25.01.20223

Bundesagentur für Arbeit (2022): Mehrwert schaffen - Minijobs umwandeln. Presseinfo Nr. 84, 05.10.2022., letzter Zugriff: 25.01.2023.

Deutscher Gewerkschaftsbund (2022): Minijobs. Von der Armut in die Armut. Einblick Themenschwerpunkt Minijobs. 30.03.2022., letzter Zugriff: 25.01.2023.

Gerlach, Irene /Ahrens, Regina / Laß, Inga / Heddendorp, Hennig (2015): Die Bedeutung atypischer Beschäftigung für zentrale Lebensbereiche. Policy Brief, Münster,, letzter Zugriff: 25.02.2023.

Hans-Böckler-Stiftung (2021): Coronakrise: Weniger Minijobs. Böckler Impuls, Ausgabe 12/2021, S.7, letzter Zugriff 25.01.2023

Herzog-Stein, Alexander et al (2020): Fünf Jahre Mindestlohn - Erfahrungen und Perspektiven: Gemeinsame Stellungnahme von IMK und WSI anlässlich der schriftlichen Anhörung der Mindestlohnkommission 2020, WSI Policy Brief Nr. 42, letzter Zugriff: 25.01.2023.

Hobler, Dietmar / Pfahl, Svenja / Unrau, Eugen (2021): Minijobs als Nebentätigkeit 2004–2020. In: WSI GenderDatenPortal.

Körner, Thomas / Meinken, Holger / Puch, Katharina (2013): Wer sind die ausschließlich geringfügig Beschäftigten? Eine Analyse nach sozialer Lebenslage. In: Wirtschaft und Statistik, 01/2013, S. 42–61, letzter Zugriff: 25.10.2021.

Oschmiansky, Frank/ Berthold, Julia (2020): Minijobs und Midijobs, Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn., letzter Zugriff: 25.01.2023

Statistisches Bundesamt (2022): Betreuungsquoten der Kinder unter 6 Jahren in Kindertagesbetreuung am 01.03.2022 nach Ländern., letzter Zugriff: 25.01.2023.

Statistik der Bundesagentur für Arbeit (2020a): Statistik der sozialversicherungspflichtigen und geringfügigen Beschäftigung, Version 7.11, Grundlagen: Qualitätsbericht, Nürnberg, letzter Zugriff: 25.01.2023.

Statistik der Bundesagentur für Arbeit (2020b): Statistik erklärt. Warum weist die Beschäftigungsstatistik regelmäßig Daten zum Stichtag 30.6. statt "echter" Jahresdurchschnitte aus?, letzter Zugriff 25.01.2023.

Statistik der Bundesagentur für Arbeit (2015): Methodenbericht. Beschäftigungsstatistik Revision 2014, zweite überarbeitete Fassung, Nürnberg, letzter Zugriff 25.01.2023.


(1) Minijobs können auch als Nebentätigkeit neben einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung ausgeübt werden. Im Jahr 2020 betraf dies fast drei Mio. sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in Deutschland. Vgl. dazu: Hobler, Dietmar/Pfahl, Svenja/Unrau, Eugen (2021): Minijobs als Nebentätigkeit 2004–2020.

(2) Ein sehr ähnliches Bild zeigen Auswertungen des WSI. Vgl. Hans-Böckler-Stiftung (2021): Coronakrise: Weniger Minijobs. Böckler Impuls, Ausgabe 12/2021, S.7

(3) Neben den nachwirkenden Frauenbildern in Ost- und Westdeutschland muss auch beachtet werden, dass die Betreuungsquoten in Ostdeutschland nach wie vor höher sind als in Westdeutschland, wodurch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Frauen in Westdeutschland schwieriger ist. So lag die Betreuungsquote von Kindern unter drei Jahren in westdeutschen Bundesländern 2022 bei fast 32 Prozent und in Ostdeutschland bei 53 Prozent. Vgl. Statistisches Bundesamt (2022): Betreuungsquoten der Kinder unter 6 Jahren in Kindertagesbetreuung am 01.03.2022 nach Ländern.

(4) Barth, Denise/Jessen, Jonas/Spieß, Katharina/Wrohlich Katharina (2020): Mütter in Ost und West. Angleichung bei Erwerbstätigenquoten und Einstellungen, nicht bei Vollzeiterwerbstätigkeit.

(5) Deutscher Gewerkschaftsbund (2022): Minijobs. Von der Armut in die Armut, S. 1.

(6) Herzog-Stein, Alexander et al (2020): Fünf Jahre Mindestlohn - Erfahrungen und Perspektiven: Gemeinsame Stellungnahme von IMK und WSI anlässlich der schriftlichen Anhörung der Mindestlohnkommission 2020, S.5ff.

(7) Körner, Thomas/Meinken, Holger/Puch, Katharina (2013): Wer sind die ausschließlich geringfügig Beschäftigten? Eine Analyse nach sozialer Lebenslage, S. 46.

(8) Vgl. Oschmiansky, Frank/Berthold, Julia (2020): Minijobs und Midijobs.

(9) Vgl. Körner, Thomas/Meinken, Holger/Puch, Katharina (2013): Wer sind die ausschließlich geringfügig Beschäftigten? Eine Analyse nach sozialer Lebenslage, S. 53f., 56ff.

(10) Oschmiansky, Frank/Berthold, Julia (2020): Minijobs und Midijobs.

(11) So auch: Blömer, Maximilian/Peichl, Andreas (2020): Für wen lohnt sich Arbeit? Partizipationsbelastungen im deutschen Steuer-, Abgaben- und Transfersystem.

(12) Vgl. Gerlach, Irene/Ahrens, Regina/Laß, Inga/Heddendorp, Hennig (2015): Die Bedeutung atypischer Beschäftigung für zentrale Lebensbereiche. Policy Brief, S. 4.

(13) Deutscher Gewerkschaftsbund (2022): Minijobs. Von der Armut in die Armut, S. 1.

(14) Oschmiansky, Frank/Berthold, Julia (2020): Minijobs und Midijobs.

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