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WSI Verteilungsbericht 2022: Gini-Koeffizient

 

Zu Beginn des Beobachtungszeitraums, direkt nach der Wiedervereinigung im Jahr 1991, lag der Gini-Koeffizient der verfügbaren äquivalenzgewichteten Haushaltsnettoeinkommen in Westdeutschland bei 0,245 Punkten [1]. Nach einem leichten Anstieg blieb er ab Mitte dieses Jahrzehnts recht stabil. Im Jahr 1999 setzte dann ein rasanter Anstieg ein: Bis zum Jahr 2007 erhöhte sich der Koeffizient von 0,248 Punkten auf über 0,29. Gesamtwirtschaftlich gesehen war diese Phase von hoher Arbeitslosigkeit und schwacher Lohnentwicklung geprägt (Spannagel 2015, S. 4ff.). Gleichzeitig waren die Kapitalmärkte aufgeheizt und ermöglichten satte Renditen – wovon jene profitierten, die es sich leisten konnten, hier zu investieren (Horn et al. 2014, S. 3ff.). Mitte der 2000er kam der enorme Anstieg der Einkommensungleichheit zu einem Ende. Zunächst ging der Gini-Koeffizient bis zum Jahr 2009 leicht auf 0,281 zurück, verharrte jedoch deutlich oberhalb des Niveaus der 1990er Jahre. Seitdem ist wieder ein Anstieg zu beobachten, der wellenförmig verläuft. Im Jahr 2019 erreichte der Gini-Koeffizient mit einem Wert von fast 0,3 einen neuen Höchstwert.

Der innerdeutsche Vergleich zeigt: In Westdeutschland entsprechen Höhe und Verlauf der Ungleichheit fast direkt der Entwicklung Gesamtdeutschlands. Im Osten des Landes ist die Einkommensungleichheit deutlich geringer. Hier zeigt sich das Erbe der deutlich egalitäreren Einkommensstruktur der DDR: 1991 lag der Gini-Koeffizient bei 0,204 Punkten. Aber auch im bundesdeutschen Osten setzte Ende der 1900er Jahre ein rasantes Wachstum ein, wodurch auch hier 2005 ein erstes Maximum erreicht wurde, welches allerdings mit 0,240 Punkten immer noch knapp 0,05 Punkte unter dem westdeutschen Wert lag. Es findet aber ein Angleichungsprozess zwischen beiden Landesteilen statt: Die Differenz zwischen West- und Ostdeutschland hat sich am aktuellen Rand auf etwas über 0,03 Punkte verringert. Diese Angleichung ist allerdings vor allem der steigenden Einkommensungleichheit in Ostdeutschland geschuldet.

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[1] Die erste erwachsene Person in einem Haushalt erhält das Gewicht 1,0, jede weitere Person über 14 Jahren wird mit 0,5 Punkten gewichtet. Haushaltsmitglieder unter 14 erhalten ein Gewicht von 0,3. Ein Paar mit zwei Kindern unter 14 Jahren kommt somit auf einen Faktor von 2,1 (1+0,5+0,3+0,3). Durch diesen Wert wird das Haushaltseinkommen bei der sogenannten Äquivalenzgewichtung dividiert.

Weitere Erläuterungen
Gini-Koeffizient: Der Gini-Koeffizient ist eine Maßzahl, die angibt, wie ungleich Vermögen oder Einkommen in einer Gesellschaft verteilt sind. Der Gini kann Werte zwischen 0 und 1 annehmen. Dabei steht der Wert 0 für die völlige Gleichverteilung. In diesem Fall würde jede Person über exakt gleich viel Einkommen bzw. Vermögen verfügen. Der Wert 1 steht für extreme Ungleichverteilung, d.h. das gesamte Vermögen bzw. Einkommen wäre in den Händen einer einzigen Person konzentriert.

Verfügbares Haushaltsnettoeinkommen: Die verfügbaren Haushaltsnettoeinkommen ergeben sich aus den Markteinkommen abzüglich Steuern und Sozialabgaben und zuzüglich Transferzahlungen wie Kinder- oder Arbeitslosengeld.

Quellen
Horn, G. A./Gechert, S./Rehm, M./Schmid, K. D. (2014): Wirtschaftskrise unterbricht Anstieg der Ungleichheit. Hans-Böckler-Stiftung, IMK Report Nr. 97, Düsseldorf

Sozio-oekonomisches Panel (SOEP) (2022): Daten für die Jahre 1984-2020, Version 37, SOEP

Spannagel, D. (2015): Trotz Aufschwung: Einkommensungleichheit geht nicht zurück. WSI-Verteilungsbericht 2015. Hans-Böckler-Stiftung, WSI Report Nr. 26, Düsseldorf

Kontakt

Ansprechpartnerin für alle Fragen zum Verteilungsbericht 2022 ist Dr. Dorothee Spannagel.

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