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WSI-Mitteilungen

Tullius, Knut / Wolf, Harald : Moderne Arbeitsmoral: Gerechtigkeits- und Rationalitätsansprüche von Erwerbstätigen heute

Ausgabe 07/2016

WSI-Mitteilungen 7/2016, Seiten 493–502

Zusammenfassung

Die meisten Zeitdiagnosen zeichnen das Bild eines unaufhaltsamen Vormarschs von Neoliberalismus und Marktideologie. Auf der Ebene der wirtschaftlichen Akteure und ihrer Handlungsorientierungen entspreche dem die Vorherrschaft des Leitbilds eines amoralischen und unsolidarischen Homo oeconomicus. Spielen tatsächlich solche nicht-ökonomischen Werte und Normen wie Solidarität, Gemeinsinn oder weitere Elemente einer „moralischen Ökonomie“ als Handlungs- und Interessenorientierungen von Beschäftigten in Arbeit und Betrieb eine immer geringere Rolle, wie solche Diagnosen nahelegen? Der Beitrag zeigt, dass von einem solchen Siegeszug des Homo oeconomicus nicht gesprochen werden kann. Vielmehr werden mit den präsentierten empirischen Befunden die Konturen einer „modernen Arbeitsmoral“ mit sehr ausgeprägten Gerechtigkeits- und Rationalitätsansprüchen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an Erwerbsarbeit freigelegt. Um real wirksam zu bleiben bzw. zu werden, benötigt diese moralische Ökonomie aber eine politische Einbettung in starke Formen der Interessenvertretung, die heute vielerorts ohne Frage schwieriger geworden ist und schwächer zu werden droht.

Abstract

Most diagnoses of today’s society paint a picture of an inexorable rise of neo-liberalism and market ideology. At the level of economic actors and their orientations this supposedly corresponds with the supremacy of the general principle of an amoral homo economicus. But do non-economic values and norms such as solidarity or other elements of a "moral economy" really play a diminishing role in the action and interest orientations of employees at work as such diagnoses suggest? The article indicates that we cannot speak of such a triumph of homo economicus. On the contrary, our empirical evidence reveals the contours of a "modern work ethic" with very pronounced normative claims of workers for justice and rationality in organisations. However, to come into real effect, this moral economy requires strong forms of political advocacy and interest representation that has become, without doubt, more difficult in many workplaces today and threatens to become weaker.

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