Systemrelevant Podcast: Die Schwachstellen im Koalitionsvertrag – und was trotzdem Hoffnung macht
Die neue Bundesregierung steht vor einer Mammutaufgabe. Die Ambitionen sind hoch, die Ausgestaltung von Zielen oft aber nur schwammig formuliert. Dazu kommt die rechtsextreme AfD als größte Oppositionspartei im Parlament. WSI-Direktorin Bettina Kohlrausch beleuchtet die Schwachstellen des Koalitionsvertrages.
[13.06.2025]
„Das sind die letzten vier Jahre, die letzte Patrone…“ – mit der neuen Bundesregierung sind einerseits Untergangsszenarien verbunden. Es gilt schließlich, der rechtsextremen und antidemokratischen AfD Einhalt zu gebieten. Andererseits hat die Koalition ihre Ambitionen sehr hochgesteckt, was auch große Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger weckt.
Wie die Regierung aus CDU/CSU und SPD ihre Ziele konkret erreichen will, steht im Koalitionsvertrag jedoch nur bedingt. Pläne seien entweder unter Finanzierungsvorbehalt oder als Prüfauftrag formuliert, so Kohlrausch.
Neue Bundesregierung fördert mit Rhetorik ausgrenzende Gesellschaft
Das Wahlergebnis ist Ausdruck eines enormen Vertrauensverlustes der Bevölkerung. Die Kernaufgabe der neuen Regierung bestehe nun darin, dieses Vertrauen wiederherzustellen, betont WSI-Direktorin Bettina Kohlrausch. Ihr fehle bei der neuen Regierung aber vor allem eine Idee von Gesellschaft.
Als zentrales Vorhaben im Koalitionsvertrag steht die Abschaffung des Bürgergelds, was laut Kohlrausch stellvertretend für die ausgrenzende Rhetorik der Koalition sei, die sich auch in der restriktiven Migrationspolitik wiederfindet.
Positive Anreize im Koalitionsvertrag
Einige Punkte im Koalitionsvertrag machen aber auch Hoffnung, unter anderem:
- Das aufgeführte Familienbudget sei eine sinnvolle politische Maßnahme, findet Bettina Kohlrausch. „Das würde tatsächlich Familien und vor allem Frauen helfen.“ Es müsste jedoch einhergehen mit der starken Reduzierung oder gar Abschaffung von Minijobs und beispielsweise mit einer Abschaffung des Ehegattensplittings.
- Begrüßenswert sei auch die Formulierung des Ziels einer höheren Tarifbindung und die Einrichtung eines Tariftreuegesetzes
- Betriebliche Mitbestimmung soll gestärkt werden, indem etwa digitale Zugangsrechte für Betriebsräte ermöglicht werden
- Absicht, den Mindestlohn auf 15 Euro zu erhöhen. Kohlrausch: „Wenn es wirklich gelingen würde, den Mindestlohn armutsfest zu machen, wäre das auch ein Instrument, von dem überwiegend Frauen profitieren.“
Koalitionsvertrag: Oft nur allgemeine Forderungen
Generell würden im Koalitionsvertrag bei sozialen Themen entweder konkrete Einzelmaßnahmen oder sehr allgemeine Forderungen genannt, kritisiert Bettina Kohlrausch – etwa die Entbürokratisierung im Sozialstaat oder die Abschaffung von Kinderarmut. Wie dies genau erreicht werden soll, bleibt (bislang) aber unklar.
Moderation: Marco Herack
Weitere Informationen
Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD
Podcast-Folge zum Thema Mitbestimmung im Koalitionsvertrag
Beitrag „Unverzichtbarer Sozialstaat” aus dem Böckler Impuls
Magazin-Artikel „Oft gehört, trotzdem falsch” – Vorurteile in der Sozialpolitik
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