Quelle: WSI
Nina Weimann-Sandig, 04.10.2024: Betreuungskrise: Warum mehr Stunden nicht helfen
Zur Bewältigung der Kita-Krise wird in der politischen Öffentlichkeit häufig die Auffassung vertreten, dass eine Erhöhung der Arbeitszeit der pädagogischen Fachkräfte den Personalmangel schnell beheben könnte. Doch ist diese Annahme tatsächlich richtig?
Frustrierte Erzieher*innen und verzweifelte Eltern – dieses Bild kennzeichnet sehr gut die gegenwärtige Kita-Krise. Die angespannte Personalsituation in den Kitas ist in den letzten Jahren zunehmend in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt und wird als eine der zentralen Herausforderungen für die frühkindliche Bildung angesehen. Laut Kita-Report des Paritätischen Gesamtverbandes fehlen derzeit bundesweit rund 125.000 Fachkräfte in der frühkindlichen Bildung (Paritätischer Gesamtverband 2024). Der Rechtsanspruch auf einen Kinderbetreuungsplatz ab dem 1. Lebensjahr klingt deshalb für viele Eltern in deutschen Kommunen wie ein Märchen: So fehlen bundesweit etwa 384.000 Betreuungsplätze (Bertelsmann-Stiftung 2022). Diese Unterbesetzung führt einerseits zu einer Überlastung des vorhandenen Personals, andererseits beeinträchtigt sie die Qualität der Betreuung und Bildung der Kinder.
Wirft man einen gesamtwirtschaftlichen Blick auf die derzeitige Erosion des Kitasystems, dann ist die Situation noch alarmierender – denn nur, wenn Eltern sich darauf verlassen können, dass die Betreuungszeiten in den Kitas mit ihren Arbeitszeiten vereinbar sind, können sie sich auf ihre Berufstätigkeit voll einlassen bzw. nach der Elternzeit in die Berufstätigkeit zurückkehren. Studien zeigen die folgenreichen Konsequenzen auf, die die schlechte Betreuungssituation mit sich bringt: dass Mütter in Krisenszenarien wie etwa der Corona-Pandemie deutlich mehr Sorgearbeit übernommen und den Ausfall der Kinderbetreuung stärker als Väter ausbalanciert haben (Auth 2024). Dem begegnen Mütter auch verstärkt mit der Reduktion ihrer Arbeitszeit, wenn dies bei Vätern nicht ohne Weiteres möglich ist oder ein Einkommensgefälle besteht (DIW 2024). Ansonsten reduzieren auch beide Elternteile oftmals ihre Arbeitszeiten, um die Ausfälle in der institutionalisierten Kindertagesbetreuung auffangen zu können. Dies führt zu Einkommensverlusten, die sich negativ auf die Haushaltsfinanzen auswirken und die wirtschaftliche Stabilität der Familien gefährden. Der Großteil der berufstätigen Eltern ist somit darauf angewiesen, dass die Kinder institutionell betreut werden. Familiäre Arrangements gehören heute der Minderheit an oder werden lediglich in Übergangs- oder akuten Bedarfsphasen genutzt (Kayed et al. 2022; Weimann-Sandig et al. 2021).
Wie können nun Bedarfe nach sowie Rechtsansprüche auf Kinderbetreuung gesichert und der bestehende Personalmangel gelindert werden? In der politischen Diskussion wird häufig die Vorstellung geäußert, dass eine Erhöhung der Arbeitszeit der pädagogischen Fachkräfte eine schnelle Lösung des Personalmangels darstellen könnte. Aber ist es wirklich so einfach oder sind die Ursachen der Krise komplexer?
Die Ursachen der Krise reichen weit in die Historie der Kindertagesbetreuung, denn die Abwertung als traditioneller Frauenberuf beeinflusst die Berufsfeldentwicklung bis heute
Fakt ist: Die 180jährige Geschichte der Kindertagesbetreuung in Deutschland ist eng verbunden mit den Schlagworten „Frauenberuf“ und Teilzeitbeschäftigung. Eine wirkliche Berufsfeldentwicklung können wir erst seit etwa 60 Jahren beobachten, denn: Die Institutionalisierung der Kindertagesbetreuung muss als Abbild der politischen Rahmenbedingungen und damit auch der jeweiligen Regime betrachtet werden. Dazu lohnt sich ein kurzer Blick in die Entwicklungsgeschichte der Kindertagesbetreuung, die uns zurückführt bis zur Industrialisierung.
Mit dem Zeitalter der Industrialisierung, insbesondere aber auch durch die Einführung der Bismarckschen Sozialgesetze, vollzog sich eine tiefgehende soziale Distinktion zwischen den einzelnen Gesellschaftsschichten. Während Eltern der Arbeiterklasse ihre Kinder in die Betreuungseinrichtungen gaben, um ihrer Schichtarbeit nachgehen zu können und hier sowohl Mütter als auch Väter in der Industriearbeit tätig waren, wurden Kinder des Bürgertums und der Oberschicht weiterhin zu Hause betreut – entweder von den Müttern selbst oder von Kindermädchen.
In den Betreuungseinrichtungen bekamen die zumeist von starker Armut betroffenen Kinder einerseits eine Grundversorgung mit Nahrungsmitteln, andererseits litten viele Einrichtungen unter finanziellen Engpässen und unzureichenden Räumlichkeiten. Friedrich Fröbel, der 1840 den ersten Kindergarten gründete, legte den Grundstein für die moderne frühkindliche Bildung. Sein Ansatz basierte auf der Überzeugung, dass Kinder durch Spiel und soziale Interaktion lernen. Fröbels Ideen wurden jedoch nicht nur aus pädagogischen, sondern auch aus sozialen Notwendigkeiten heraus entwickelt. Mit der Zunahme von Fabrikarbeit benötigten viele Familien eine verlässliche Betreuung für ihre Kinder, um wirtschaftlich überleben zu können (Berger 2015).
Während bereits in der vorindustriellen Gesellschaft Frauen hauptsächlich für die Kindererziehung und die Pflege von Angehörigen zuständig waren, wurden diese Rollenbilder mit der industriellen Revolution auch in den sozialen Berufsbildern wie Kindergärtnerin oder Krankenschwester zementiert (Seel/Hanke 2015). Im Gegensatz zur Schule, die als gesamtgesellschaftliche Institution im Sinne einer gesellschaftlichen Wertschöpfung anerkannt war (Parsons 1967) und dementsprechend der Lehrerberuf als Männerberuf galt (zumal Frauen jahrhundertelang der Zugang zu höherer Bildung verwehrt war), gelang der Kindertagesbetreuung eine solche institutionelle Anerkennung nicht. Die Tatsache, dass überwiegend Frauen beschäftigt waren und die Tätigkeiten aufgrund der Annahme, dass Frauen eine natürliche Neigung für pflegende Berufe hätten, mit nur rudimentären Ausbildungskonzepten einhergingen, führten zu einer gesellschaftlichen Abwertung (Weimann-Sandig 2019). Fortan war die Arbeit in der Kindertagesbetreuung als klassischer Frauenberuf gekennzeichnet durch geringe Entlohnung und überwiegenden Teilzeitbeschäftigungsverhältnissen, da die Frauen auch ihre eigenen Familien zu versorgen hatten.
Dieses Bild hielt sich in Westdeutschland tatsächlich dann auch bis weit in die 1960er Jahre. Zuvor erfolgte im Nationalsozialismus nur eine rudimentäre pädagogische Ausbildung des nahezu ausschließlich weiblichen Personals. Demgegenüber wurde viel Wert auf die Vermittlung ideologischer Werte gelegt (Pahl 2022). Eine Betreuung in Kindertageseinrichtungen galt jedoch nur dann als zulässig, wenn es die familiären Umstände unbedingt erforderten. Ganz im Gegensatz dazu die Situation in der DDR, wo man versuchte, den Einfluss der Familie möglichst zu begrenzen. Wenngleich Eltern nicht offiziell verpflichtet waren, ihre Kinder in Betreuung zu geben, galt es als gesellschaftlich erwartet und wurde zudem von vielen Familien auch als notwendig erachtet, um der Verpflichtung zur Doppelerwerbstätigkeit nachzukommen. Betreuungszeiten von zehn bis zwölf Stunden galten als normal. Hierfür wurde dann auch umfassend in die Ausbildung der Erzieher*innen investiert (Honecker 1985; Rabe-Kleberg 2006).
Sowohl im Nationalsozialismus als auch in der DDR überlagerten politische Ideologien die Weiterentwicklung und Reflexion pädagogischer und bedürfnisorientierter Ansätze im Berufsfeld der Kinderbetreuung. In Westdeutschland wurde nach der Verabschiedung der demokratischen Grundordnung der BRD die Verantwortung für Bildung, Erziehung und Betreuung auf die einzelnen Bundesländer übertragen und in den Bereich der Kinder- und Jugendhilfe integriert. In Westdeutschland wurde die Betreuung von Kindern bis zum Vorschulalter jedoch bis weit in die 1970er Jahre als primäre Aufgabe der Familie angesehen. Daher gab es bis in die 1960er Jahre kaum nennenswerte Erweiterungen des Berufsbildes (Böttcher/Gebauer 2020). Erst in den späten 1960er Jahren erfuhr die Qualifizierung des pädagogischen Personals eine qualitative und quantitative Verbesserung, die mit dem Abschluss als staatlich geprüfte*r Erzieher*in endete.
Der traditionelle Frauenberuf „Kindergärtnerin“ bzw. „Erzieherin“ passte über viele Jahrzehnte sehr gut in das konservative Familienbild in Westdeutschland, das auf dem männlichen Haupternährer und dem weiblichen Zuverdienst in Teilzeit basierte. Trotz dieser Aufwertung der Ausbildungsgrundlagen, die gerade in den vergangenen Jahren auch durch die Akademisierung der Frühpädagogik einen enormen Schub bekommen hat (Hoffmann 2013), hat der Beruf bis heute mit den Folgen der gesellschaftlichen Abwertung als „Frauenberuf“ zu kämpfen. Dies zeigt sich bis heute beispielsweise am vergleichsweise geringen Anteil männlicher Fachkräfte in den Betreuungseinrichtungen.
Tatsächlich: Die meisten Fachkräfte arbeiten in Teilzeit und möchten derzeit auch nicht aufstocken!
Wie sieht nun die aktuelle Situation im Berufsfeld aus? Fakt ist: Die Zahl der pädagogischen Fachkräfte ist in den letzten zehn Jahren um 51 Prozent gestiegen (Statistisches Bundesamt 2024). Eine zentrale Ursache dafür ist der 2013 eingeführte Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz. Fakt ist aber auch, dass laut Statistischem Bundesamt (2023) derzeit bundesweit 66 Prozent des pädagogischen Personals nur in Teilzeit beschäftigt sind. Tatsächlich gibt es gegenwärtig nur zwei Bundesländer, nämlich das Saarland und Nordrhein-Westfalen, in denen mehr pädagogische Fachkräfte in Vollzeit als in Teilzeit beschäftigt sind (Bundesagentur für Arbeit 2024). Vollzeit ist nur bei den Einrichtungsleitungen die dominierende Beschäftigungsform, bereits ab der Ebene der stellvertretenden Leitung und insbesondere bei den Gruppenleitungen dominiert die Teilzeitbeschäftigung (Abb. 1; Weimann-Sandig/Kalicki 2024).
Und hier liegt der Knackpunkt: Aufgrund fehlender ausdifferenzierter Karrierepfade im Feld der Kindertagesbetreuung werden bisher überwiegend nur Leitungskräfte für ihre verantwortungsvolle Aufgabe freigestellt. Bereits ab Ebene der stellvertretenden Leitungen müssen administrative Arbeiten, Dokumentation, Personalplanung oder die strategische Weiterentwicklung der Einrichtung neben der Arbeit am Kind gemeistert werden. Fehlende Freistellungen sorgen für eine Überlastung durch die Vielzahl der übertragenen Aufgaben. Die Antwort eines Großteils dieser Fachkräfte darauf ist die Reduktion ihrer Arbeitszeit.
Das Berufsfeld Frühe Bildung gehört darüber hinaus zu den am wenigsten ausdifferenzierten Feldern mit Blick auf Aufgabenverteilung und Spezialisierung. Das, was wir in anderen sozialen Dienstleistungsbereichen unter dem Aspekt der Fachkarrieren diskutieren – die „horizontale Spezialisierung“ – wird bisher im Bereich der Frühen Bildung nur von sehr wenigen Trägern realisiert. Dies liegt einerseits an dem traditionell egalitären Teamverständnis der Kindertagesbetreuung, andererseits aber auch an einer Art „protective professionalism“ (Nordegraaf 2020), denn anstelle einer kollektiven Identität der pädagogischen Fachkräfte erfolgt oftmals noch immer eine starke Abgrenzung der Professionsmacht zwischen klassisch ausgebildeten sowie akademischen Erzieher*innen. Dieses Verharren in eigenen Professionsvorstellungen steht einer Ausdifferenzierung von Tätigkeitsprofilen erheblich im Weg Fachkräften (Weimann-Sandig 2022).
In der Folge stellt sich bei vielen Fachkräften eine Tätigkeitsmonotonie ein, da eine Perspektive für Weiterentwicklung (und damit eine entsprechende monetäre Anerkennung) nicht gegeben ist. Auch darauf reagiert ein überwiegender Teil der Fachkräfte mit Reduktion von Arbeitszeit. Jüngere Fachkräfte, vor allem diejenigen, die durch ein Studium in den Beruf kommen, hadern damit ganz besonders und reagieren deutlich mehr als andere Fachkraftgruppen mit einer Abwanderung in andere Berufsfelder (Weimann-Sandig/Kalicki 2024). Im Sinne der Humankapiteltheorie bedeutet dies schlicht: Die Übernahme von Verantwortung in der Kita erhöht den Marktwert der pädagogischen Fachkräfte bisher nicht, sondern bringt zunehmende Belastungen, die über einen Verbleib in der Teilzeit ausgeglichen werden. Ebenso führen fehlende Aufstiegsmöglichkeiten, wie etwa Fachkarrieren, dazu, dass Fachkräfte keinerlei Anreiz sehen, ihre derzeitigen Beschäftigungsumfänge zu erhöhen und beispielsweise in Weiterbildungen zu investieren (Becker 1964).
Ein weiterer Belastungsfaktor: Die Kita kann als Mikrokosmos gesellschaftlicher Entwicklungen und sozialer Ungleichheiten verstanden werden. So müssen pädagogische Fachkräfte heute sowohl den Bedürfnissen unterschiedlicher Familienmodelle als auch den Erwerbsmodellen der Eltern oder allgemein den sich ausdifferenzierenden sozialen Problemlagen gerecht werden. Multiprofessionelle Teams, die ähnlich wie in der Sozialarbeit ein vernetztes Arbeiten am Kind gewährleisten und damit auch wieder mehr Raum für die pädagogische Kernarbeit schaffen, fehlen nach wie vor flächendeckend. Wird die Arbeit als anstrengend empfunden, so zeigen Studien aus dem Bereich der Arbeitszufriedenheitsforschung deutlich, erfolgt häufig konsequenterweise eine Reduktion von Arbeitszeit ohne Bereitschaft, diese wieder zu erhöhen (Kauffeld/Schermuly 2019; Maslach/Leiter 2016).
Die Dominanz der Teilzeitbeschäftigung ist also nicht darauf zurückzuführen, dass die Beschäftigten in der Frühpädagogik ein angenehmeres Leben im Sinne einer modernen Work-Life-Balance führen, sondern darauf, dass nur ein reduzierter Beschäftigungsumfang die generelle Arbeitsfähigkeit erhält. In diesem Zusammenhang muss hier dann auch von einer unfreiwilligen Teilzeit gesprochen werden. Das heißt aber auch: Je mehr sich die Strukturen verschlechtern, je weniger Baustellen wie Fachkarrieren, Leitungsentgelte und Freistellungen sowie neue Finanzierungsgrundlagen für die Personalbemessung angegangen werden, desto mehr pädagogische Fachkräfte werden sich dafür entscheiden, ihre Arbeitszeit noch weiter nach unten zu korrigieren.
Die Aufstockungspotenziale sind gering und die sozialpolitischen Folgen immens
Aktuelle Daten zeigen, dass für 48 Prozent der befragten Beschäftigten die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit genau ihren Wünschen entspricht, 45 Prozent wünschen sich eine Reduzierung und nur sieben Prozent eine Erhöhung (Weimann-Sandig/Kalicki 2024). Dies zeigt: Unter den gegenwärtigen Bedingungen kann von Aufstockungspotenzialen nicht gesprochen werden. Vielmehr muss es darum gehen, die Beschäftigungsfähigkeit generell aufrecht zu erhalten. Eine Verbesserung der Personalsituation in der Kindertagesbetreuung kann nur durch eine deutliche Verbesserung der Arbeitsstrukturen erreicht werden. Notwendig ist auch eine institutionalisierte Wertschätzung und Wertschöpfung der Frühen Bildung, etwa durch eine konsequente Gleichstellung mit dem Status der Grundschullehrkräfte.
Insofern ist es viel zu kurz gegriffen, auf die Kita-Krise mit vorschnellen Forderungen zu reagieren, etwa nach pauschaler Arbeitszeitausweitung. Vielmehr muss die Kita-Krise als Systemkrise betrachtet werden, weil sie umfassende Auswirkungen auf verschiedene gesellschaftliche Ebenen hat, insbesondere in Bezug auf die Erwerbstätigkeit von Eltern, vor allem Müttern, sowie die daraus resultierende Verfügbarkeit von Arbeitskräften. Der Arbeitskräftemangel ist bereits jetzt schon in vielen Branchen erheblich und wirkt sich negativ auf Wirtschaftswachstum und Wettbewerbsfähigkeit aus.
Um pädagogische Fachkräfte zu gewinnen und zu halten, müssen die Arbeitsbedingungen in Kitas attraktiver gestaltet werden. Maßnahmen, die auf Trägerebene umgesetzt werden können, sind flexible Arbeitszeiten, ebenso auch das Angebot einer 4-Tage-Woche, zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf, denn ein zentraler Faktor für die hohe Teilzeitquote in der Kita besteht darin, dass die Betreuung der eigenen Kinder oftmals nicht mit den Kita-Arbeitszeiten vereinbar ist (Weimann-Sandig/Kalicki 2024). Auch das betriebliche Gesundheitsmanagement, bestehend aus umfassenden Präventionsangeboten, ist bisher nur in wenigen Kindertageseinrichtungen angekommen bzw. wird nur von wenigen Trägern speziell für die Belastungen des pädagogischen Personals konzipiert.
Die funktionale Ausdifferenzierung der Tätigkeitsfelder erfordert zudem eine stärkere Flexibilisierung der Tarifstrukturen, die Schaffung finanzieller Anreizsysteme und eine Angleichung der Entlohnung des pädagogischen Personals an die Gehälter anderer pädagogischer Berufe, wie z.B. der Grundschullehrkräfte (Weimann-Sandig 2017; Weimann-Sandig et al. 2021; Aktionsrat Bildung 2012). In diesem Kontext sind die Sozialpartner gefragt, insbesondere die Interessensvertretungen, um eine gemeinsame funktionale Ausdifferenzierung im Bereich der Kindertagesbetreuung voranzutreiben. Dadurch lässt sich nicht nur die Professionalisierung fördern, sondern auch die Attraktivität dieses Berufsfeldes insgesamt steigern.
Literatur
Aktionsrat Bildung (2012): Professionalisierung in der Frühpädagogik. Qualifikationsniveau und -bedingungen des Personals in Kindertagesstätten, Münster
Auth, D. (2024): Rückschläge und Hoffnungsschimmer: Die Verteilung von Sorgearbeit zwischen Müttern und Vätern im Krisenmodus, in: Breitbach, V. (Hrsg.): Die Welt im Wandel, Berlin, Heidelberg
Becker, G. S. (1964): Human Capital: A Theoretical and Empirical Analysis, with Special Reference to Education, University of Chicago Press
Berger, M. (2015): "Heil Hitler Dir! Du bist und bleibst der beste Freund von mir". Zur Kindergartenpädagogik im Nazi-Deutschland (1933-1945) - unter besonderer Berücksichtigung der Fachzeitschrift Kindergarten (1933-1942). Manuskript eines Vortrages, der am 31.01.2005 anlässlich einer Ausstellung (vom 31.01. bis 31.03.2005) des Ida Seele-Archivs zur "Erziehung in Familie und Kindergarten während der Nazi-Diktatur" gehalten wurde.
Bertelsmann-Stiftung (2022): 2023 fehlen in Deutschland rund 384.000 Kita-Plätze.
Böttcher, S./Gebauer, R. (2020): Kitas und Kindererziehung in Ost und West. Bundeszentrale für politische Bildung.
Bundesagentur für Arbeit (2024): Pädagogisches Personal in der Kinderbetreuung und -erziehung
DIW (2024): Gender Care Gap in Deutschland. Kein anhaltender Anstieg infolge der Corona-Pandemie. DIW-Wochenbericht 9/2024, S.123-130
Hoffmann, H. (2013): Professionalisierung der frühkindlichen Bildung in Deutschland, in: Stamm, M./Edelmann, D. (Hrsg.): Handbuch frühkindliche Bildungsforschung. Wiesbaden
Honecker, M. (1985). Unsere Schule erzieht Streiter für Sozialismus und Frieden, in: Günther, K.-H. (Hrsg.): Jahrbuch 1985 der Akademie der Pädagogischen Wissenschaften der DDR, Berlin, 1985, S. 17-32
Kauffeld, S./Schermuly, C.C. (2019): Arbeitszufriedenheit und Arbeitsmotivation, in: Kauffeld, S. (Hrsg.): Arbeits-, Organisations- und Personalpsychologie für Bachelor. Springer-Lehrbuch, Berlin, Heidelberg
Kayed,T./Hubert, S./Kuger, S. (2022): Vereinbarkeit von Familie und Beruf: Kinderbetreuung, Elternzeit und Coronapandemie. DJI-Kinderbetreuungsreport 2021. Studie 4 von 7, München
Maslach, C./Leiter, M. P. (2016): Burnout, in: Fink, G. (Hrsg.): Stress: Concepts, cognition, emotion, and behavior, Elsevier Academic Press, S. 351-357
Nordegraaf, M. (2020). Protective or connective professionalism? How connected professionals can (still) act as autonomous and authoritative experts, in: Journal of Professions and Organization, Volume 7, Issue 2, July 2020, S. 205-223
Pahl, JP. (2022): Erziehung in der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft, in: Berufliche Aus- und Weiterbildung im Berufsbildungsgesamtsystem, Wiesbaden
Paritätischer Gesamtverband (2024): Kita-Bericht 2024
Parsons, T. (1967): Sociological Theory and Modern Society, New York
Rabe-Kleberg, U. (2006): Mütterlichkeit und Profession – oder: Mütterlichkeit, eine Achillesferse der Fachlichkeit?, in: Diller, A./Rauschenbach, T. (Hrsg.): Reform oder Ende der Erzieherinnenausbildung? Beiträge zu einer kontroversen Fachdebatte, München, S. 95-105
Seel, N. M./Hanke, U. (2015): Historische Pädagogik: Die Geschichte der Erziehung und Erziehungswissenschaft, in: Erziehungswissenschaft, Berlin, Heidelberg
Statistisches Bundesamt (2024): Kita-Betreuung: 51 % mehr pädagogisches Personal im März 2023 als zehn Jahre zuvor. Pressemitteilung N004/Januar 2024
Weimann-Sandig, N./Kalicki, B. (2024): Nur Teilzeit in der Kita? Arbeitszeitumfang und Beschäftigungspotenziale in der Kindertagesbetreuung. Working Paper Forschungsförderung der Hans-Böckler-Stiftung, Nr. 331
Weimann-Sandig, N. (2022): Doing professionalism – Wie wirkt sich multiprofessionelle Teamarbeit auf aktuelle Professions- und Professionalisierungsdebatten aus?, in: Weimann-Sandig, N. (Hrsg.): Multiprofessionelle Teamarbeit in Sozialen Dienstleistungsberufen, Wiesbaden
Weimann-Sandig, N./Hamacher, S./Belenkij, K. (2021): Die Corona-Pandemie als Katalysator längst zu beantwortender Fragen, in: Zeitschrift Frühe Bildung (2021), 10 (3), S. 169-171
Weimann-Sandig, N. (2019): Entwicklung und aktueller Stand der Kindertagesbetreuung, in: Christa, H. (Hrsg.): Das große Handbuch Organisation und Verwaltung in der Kita, Kornach, S. 15-36
Weimann-Sandig, N. (2017): Die Tarifstruktur muss sich ändern, in: didacta Infodienst. Das Bildungsdossier für Politik und Bildungsverwaltung 04/2017
Die Beiträge der Serie
- Florian Blank/Jutta Schmitz-Kießler/Eike Windscheid-Profeta: Mythen der Sozialpolitik: Eine Blogserie (30.07.2024)
- Camille Logeay/Florian Blank: Das Generationenkapital – alle profitieren? (30.07.2024)
- Jennifer Eckhardt: Von wegen Hängematte: Zur Unzugänglichkeit von Sozialleistungen (01.08.2024)
- Dagmar Pattloch: Das Zugangsalter in die Rente der Deutschen Rentenversicherung Bund. Eine Richtigstellung (08.08.2024)
- Johannes Geyer: Die Grundrente: Was ist das eigentlich? (15.08.2024)
- Eileen Peters/Yvonne Lott: Die unbezahlte Doppelbelastung: Warum Frauen nicht noch mehr arbeiten können (22.08.2024)
- Jutta Schmitz-Kießler: Hartnäckig, aber falsch: Die Kritik an der Bürgergelderhöhung (30.08.2024)
- Eike Windscheid-Profeta: Jung, faul, wehleidig: Hat die „Gen Z“ den Generationenvertrag gekündigt? (04.09.2024)
- Ingo Schäfer: Die Wahrheit: Warum Bundeszuschüsse zur Rentenversicherung richtig sind (27.09.2024)
- Nina Weimann-Sandig: Betreuungskrise: Warum mehr Stunden nicht helfen (04.10.2024)
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Autorin
Prof. Dr. Nina Weimann-Sandig ist Professorin für Empirische Sozialforschung und Soziologie an der Evangelischen Hochschule Dresden und hochschuldidaktische Beauftragte.